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Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Die Schiffbrüchigen des »Jonathan«

Titel: Die Schiffbrüchigen des »Jonathan« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Aufenthaltes auf dieser Insel erworben haben. Sie kennen alle Hilfsquellen und alle Gefahren. Sie allein besitzen Verstand, Energie und die nötige Autorität, die dieser gleichgültigen, halt-und willenlosen Bevölkerung imponieren könnte. Anstatt die wenigen zerstreuten Gutwilligen zu sammeln, haben Sie diese Unglücklichen sich ohne Plan und Bindeglied zerstreuen lassen. Ob Sie wollen oder nicht, Sie sind ein wenig verantwortlich für das Mißgeschick, das ihnen eventuell widerfährt.
    – Verantwortlich!… wehrte sich der Kawdjer. Welche mir zufallende Pflicht hätte ich unerfüllt gelassen?
    – Den Schutz, den der Starke dem Schwachen schuldet.
    – Den habe ich Ihnen nicht verweigert… Habe ich nicht den »Jonathan« gerettet?… Kann auch nur ein einziger sich gegen mich erheben und mich beschuldigen, ihm Rat und Hilfe verweigert zu haben?
    – Sie mußten noch mehr tun, sagte Harry Rhodes mit Festigkeit. Ob er will oder nicht, jeder geistig höher stehende Mann nimmt die Verantwortung für andere Schwachbeseelte auf sich. Sie hätten die Ereignisse selbst in die Hand nehmen müssen und sich nicht damit begnügen sollen, sie geschehen zu lassen. Sie mußten dieses Volk gegen sich selbst beschützen, es leiten!…
    – Dann hätte ich ihm die Freiheit gestohlen! sagte bitter der Kawdjer.
    – Warum nicht? erwiderte Harry Rhodes. Wenn sich auch die Guten durch Vernunftgründe überzeugen lassen, wird es immer Menschen geben, welche nur dem Zwange gehorchen werden, den Gesetzen, die ihre Handlungsweise regeln, oder der rohen Kraft.
    – Niemals würde ich dazu meine Einwilligung geben, rief der Kawdjer heftig, und nach einer Pause fügte er in ruhigerem Tone hinzu:
    Wir wollen ein Ende machen. Lassen Sie es sich gesagt sein, mein Freund, daß ich der unversöhnliche Feind einer jeden Regierungsform bin, wie immer dieselbe beschaffen sein möge. Ich habe mein ganzes Leben dazu verwendet, dieses Problem zu ergründen und bin zu der Überzeugung gelangt, daß niemals der Fall eintreten kann, wo man berechtigt wäre, den freien Willen des Nächsten zu unterjochen. Alle Gesetze, Vorschriften wie Verbote, die im sogenannten Interesse der Gesamtheit erlassen werden und dabei das Individuum knechten, sind reiner Betrug! Das Einzelwesen soll sich im Gegenteil in voller Freiheit entwickeln, dann wird die Gesamtheit sich eines allgemeinen Glückes erfreuen, das sich aus dem Glücke so vieler einzelner zusammensetzt. Dieser Überzeugung, welche mein Leben ausmacht und der ich – obwohl ich einst große Macht in Händen hatte – in der verderbten Gesellschaft der Alten Welt nicht Geltung verschaffen konnte, habe ich viel, sehr viel geopfert, mehr – und nicht unbegründet! – als die Mehrzahl der Menschheit hätte opfern können; und ich habe bis hierher auf den Magalhães-Archipel flüchten müssen, wollte ich ein freies Leben in freiem Lande führen! Meine Überzeugung hat sich seither nicht geändert. Ich weiß, daß auch die uneingeschränkte Freiheit ihre Nachteile hat, aber diese schwächen sich mit der Zeit ab und jedenfalls sind sie geringer, als die durch die Gesetze wachgerufenen Schäden der Gesellschaft, die die lächerliche Prätention haben, das Böse in der Welt unterdrücken zu wollen. Die Ereignisse dieser letzten Monate haben mich sehr traurig gestimmt – aber meine Anschauungen sind dieselben geblieben. Ich war, ich bin, ich werde immer zu denjenigen zu rechnen sein, welche man mit dem entehrenden Namen »Anarchisten« bezeichnet. Wie sie, führe ich das Motto: »Kein Gott! Kein Gebieter!« – Das Thema soll unter uns nicht mehr berührt werden, aber erwähnen mußte ich es!«
    Wenn also auch die niederschmetternden Erfahrungen seinen Glauben erschüttert hatten, wollte der Kawdjer es nicht eingestehen. Anstatt seine Überzeugung aufzugeben, klammerte er sich an sie, so wie der Ertrinkende im Augenblicke höchster Not sich an einen Grashalm klammert, wenn jede andere Stütze fehlt, obwohl ihm die Gebrechlichkeit und Unzuverlässigkeit dieser einen bekannt ist.
    Harry Rhodes hatte aufmerksam dieses Glaubensbekenntnis angehört, das in überzeugungsvollem Tone vorgebracht wurde, der allen Widerspruch ausschloß. Seine Erwiderung bestand nur in einem schweren Seufzer.
Achtes Kapitel.
Halg und Sirk.
    Der Kawdjer stellte die Freiheit höher als alle Güter der Welt und war ebenso aufmerksam besorgt, sie bei seinem Nebenmenschen zu respektieren, als er auf die Anerkennung seiner eigenen Freiheit

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