Die Schiffe der Kleopatra
sein. Gib entsprechende Anordnungen, und sage den Männern, sie sollen nach Überlebenden Ausschau halten. Nach meiner Erfahrung gibt es immer Überlebende, und ich würde sie gern befragen.« Während das Schiff auf seine Erkundungsmission ausfuhr, begab ich mich, Hermes dicht an meiner Seite, in das verwüstete Dorf. Ein kurzer Rundgang bestätigte meinen ersten Eindruck: Alle Toten waren alt oder verkrüppelt oder sahen aus, als hätten sie sich verzweifelt gewehrt.
»Das gute Sklavenmaterial haben sie mitgenommen«, bemerkte Hermes.
»Das pflegen Plünderer zu tun«, bestätigte ich. Ich sah, dass Ariston verwundert vor dem zerstörten Tempel stand, und rief ihn zu mir.
»Ist das ihre übliche Vorgehensweise?« fragte ich ihn. Er schüttelte vehement den Kopf. »Etwas Derartiges habe ich noch nie gesehen. Es ergibt überhaupt keinen Sinn. Man tötet keine Schafe, wenn man sie nicht essen will. Man schert sie.« »Genau. Sie haben alles mitgenommen, was ihnen von Nutzen sein kann: Nahrung, Wolle, Frauen und Jugendliche zum Verkauf und die Männer, die sich ergeben haben. Und dann haben sie dieses unnötige Gemetzel und Mordbrennen veranstaltet. Darüber lohnt es sich nach zu denken.« Kurz darauf kehrte die Triton zurück und meldete, dass keine Schiffe in verborgenen Buchten lauerten und vom Meer aus keine Überlebenden auszumachen waren. Ich ließ sämtliche Seeleute und Soldaten zum Appell antreten.
»Ich will, dass diese Insel systematisch durchkämmt wird«, erklärte ich den Männern. »Bringt alle Überlebenden zu mir. Diese armen Menschen«, ich wies mit dem Arm auf das zerstörte Dorf und seine toten Bewohner, »müssen ein ordentliches Begräbnis mit allen Bestattungsriten erhalten, sonst folgen ihre Schatten uns auf die Schiffe und bringen uns Unglück.« Ich persönlich hegte starke Zweifel an der Macht der Toten, den Lebenden Ungemach zu bringen, aber so waren nun einmal die Bräuche, und ich würde mich in jedem Fall besser fühlen. »An die Arbeit!«
Auf der Insel gab es nicht genug Holz, um einen Scheiterhaufen zu errichten, also kratzten die Männer eine flache Grube in den sandigen Boden, in der die Toten verscharrt wurden. Auf dem Grab wurde ein kleiner Steinhaufen errichtet, und mit Kleopatras Unterstützung zelebrierte ich einen Bestattungsritus und goß ein Opfer aus Mehl, Wein und Öl über das Steinmal.
Der Prinzessin wurde zwar von dem Gestank ein bisschen übel, doch der Anblick des Gemetzels schockierte sie weniger, als ich erwartet hatte. Ich machte eine diesbezügliche Bemerkung.
»Die Frauen meines Hauses sind geschult darin, ihre Gefühle zu beherrschen. Unter den Nachfahren Alexanders gilt Zorn als die einzige Emotion, die man in der Öffentlichkeit zeigen darf.« Ptolemaios Soter, der Begründer ihrer Linie, hatte eine Schwester Alexanders geheiratet, die keineswegs zufällig auch Kleopatra geheißen hatte.
»Sieht so Krieg aus?« fragte sie.
»Manchmal«, sagte ich. »Doch das hier ist eine sehr extreme Variante. Manchmal zerstören wir Römer eine Stadt ähnlich gründlich, aber nur um ein Exempel zu statuieren, zum Beispiel wenn Leute, die unsere Bedingungen akzeptiert haben, einen Vertrag verräterisch widerrufen und uns angreifen.« »Das war hier ganz offensichtlich nicht der Fall«, bemerkte die Prinzessin.
»Nein, und ich habe vor heraus zu finden, warum es geschehen ist.«
Der Suchtrupp kehrte zurück und brachte, wie ich erwartet hatte, Überlebende mit: drei Frauen und zwei Männer, alle zu benommen, um noch Furcht zu empfinden. Sie sahen nicht aus wie Griechen, eher wie archaische Überlebende eines früheren Zeitalters, dunkelhäutig mit pechschwarzem Haar, das in geschlängelten Locken bis auf die Schultern der Männer und bis auf die Hüften der Frauen fiel. Ihre Kleidung war verschmutzt und zerrissen, ihre Haut mit Blutergüssen übersät und zerkratzt. Sie hatten breite Gesichter und hätten vielleicht sogar attraktiv ausgesehen, wären ihre Mienen nicht in einem Ausdruck hirnloser Abgestumpftheit erstarrt gewesen.
»Was ist hier geschehen?« Sie sagten nichts und ließen durch nichts erkennen, dass sie meine Worte auch nur gehört hatten. Ein Soldat wollte sie rauh anfassen, doch ich gebot ihm Einhalt. »Nein. Sie haben genug gelitten. Lasst sie ausruhen. Gebt ihnen zu essen und zu trinken, und versucht ihnen deutlich zu machen, dass ihnen kein Leid geschehen wird. Kein weiteres Leid jedenfalls. Ich werde sie später befragen. Ion?«
»Ja,
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