Die Schiffe der Kleopatra
Tüchtigkeit um Sitzgelegenheiten, Speisen und Getränke. Trotz ihrer verquollenen Augen und Tränenspuren wirkten sie nicht besonders betrübt, sondern lediglich ängstlich, wie es Sklaven ob ihrer Ungewissen Zukunft zu sein pflegen, wenn ihr Herr stirbt.
»Regelt ihr Römer eure Angelegenheiten immer so?« wollte Kleopatra sichtlich verwirrt und leicht empört wissen. »Ich kann nur schwer glauben, dass ein amtierender römischer Beamter sich einem bloßen Exilanten fügt! Warum hast du die Verantwortung nicht an dich gerissen und die Dinge in deinem Sinne geregelt?«
Ich nippte an dem ausgezeichneten Wein und wählte ein Körnerplätzchen. »Rom ist eine Republik, keine Monarchie«, erinnerte ich sie. »Ich bin kein Vizekönig, und Gabinius ist kein machtloser Niemand wie jemand, den dein Vater unter Aberkennung all seiner Besitzrechte, seines Vermögens und Einflusses in die Verbannung schicken kann. Rom wird von großen Familien beherrscht, deren führende Mitglieder Konsuln und Praetoren werden. Ihre Anhänger setzen sich aus Römern aller Schichten zusammen. Da gibt es die Schar der Senatoren, die geringere Ämter innegehabt hat, die Klasse der equites, die über Geld und Besitz verfügen, aber wie unser Freund Sergius Nobilior, der Bankier, nicht selbst in die Politik gehen. Dann gibt es die große Masse der Bürger, die in der plebejischen Volksversammlung abstimmen. Darüber hinaus haben wir noch eine zenturianische Volksversammlung und die Comitia tributa, aber heutzutage liegt die eigentliche Macht beim Senat und der plebejischen Volksversammlung.«
Ich tunkte das Plätzchen in Honig. »Politik besteht aus der permanenten Umgruppierung von Macht- und Unterstützerblöcken, da jede große Familie sich ständig bemüht, so viele eigene Mitglieder und Anhänger in hohen öffentlichen Ämtern unter zu bringen wie nur irgend möglich. Der Todfeind von gestern kann schon morgen der zuverlässigste Alliierte sein. Eine von einem empörten Senat verhängte Verbannung kann von einem befreundeten Tribun, der ein entsprechendes Gesetz durch die plebejische Volksversammlung bringt, wieder aufgehoben werden.«
Sie schüttelte den Kopf. »Für mich klingt das wie Anarchie«, meinte sie. »Das ist das politische Chaos.«
»Es kann durchaus verwirrend sein«, gab ich zu, »aber es funktioniert zu unserem Besten. Ein Beispiel: Der nächste Marinestützpunkt ist bei Tarsus. Der dortige Kommandant ist Scaevola, ein Anhänger Pompeius', der die Metelli nicht aus stehen kann. Wenn ich ihm diesen Brief mit meinem Siegel zukommen lasse, würde er ihn mit der langsamsten Schute weiterbefördern lassen, die er hat.
Ich würde den Brief an Cicero schicken, damit er ihn im Senat verlesen kann. Cicero war stets ein Freund von mir und meistens auch meiner Familie. Er hat Gabinius im Rahmen eines Prozesses einmal heftig angegriffen. Soweit ich mich erinnere, hat er ihn als einen ›geckenhaften, weibischen Tanzknaben mit Lockenwicklern‹ bezeichnet.«
»Das kann ich mir nur schwer vorstellen«, erwiderte sie einigermaßen perplex.
»Für eine römische Gerichtsverhandlung ist nichts zu zotig«, versicherte ich ihr. »Ein paar Jahre später hat derselbe Cicero Gabinius in einem Prozess wegen Wuchers kompetent vertreten, doch Cicero war in Rom nicht mehr so beliebt wie zuvor, und Gabinius wurde ins Exil geschickt. Gabinius wiederum ist ein glühender Anhänger Caesars. Wenn Caesar also aus Gallien zurück kehrt, wird er Gabinius zurück rufen und in allen Ehren wieder einsetzen. So etwas passiert ständig.«
Sie nippte an ihrem Wein und schwieg eine Weile, so dass ich schon fürchtete, sie mit meinem Exkurs gelangweilt zu haben, bevor sie kurz und bündig feststellte: »Ihr seid verrückt.« Wer war ich, einer Prinzessin zu wider sprechen. »So kann man nicht einmal einen kleinen Stadtstaat regieren, geschweige denn ein Imperium. Lässt sich irgendwas auf der Grundlage von vorübergehenden Fehden, Freundschaften und Bündnissen zwischen Familien und Individuen verwalten? Kann irgendeine Frage von Wichtigkeit entschieden werden, wenn vier verschiedene Versammlungen darüber abstimmen müssen? Wenn ein Konsul den anderen überstimmen und eine Senatsentscheidung durch das Veto eines einzelnen Tribunen blockiert werden kann? Es ist der reine Wahnsinn!« »Bisher sind wir ganz gut damit gefahren«, stellte ich ein wenig selbstgefällig fest. »Wir beherrschen den größten Teil der Welt und dehnen unseren Einfluß rapide in den
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