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Die Schiffe der Kleopatra

Die Schiffe der Kleopatra

Titel: Die Schiffe der Kleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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wie immer bezaubernden Novizinnen, die damit beschäftigt waren, den Tempel und die umliegenden Anlagen mit großen bunten Kränzen zu dekorieren.
    »Ich störe dich nur höchst ungern bei den Vorbereitungen für die Festlichkeiten«, sagte ich. »Aber ich glaube, eure Göttin hat mir in der vergangenen Nacht eine Vision geschickt.« Unsere Blicke trafen sich, und ich fügte hastig hinzu: »Bitte, glaub mir, ich bin nicht die Art Mensch, die ständig Visionen hat. Ganz im Gegenteil, um genau zu sein. Deswegen hoffe ich ja, dass du mir vielleicht helfen kannst.«
    »Gewiss«, sagte sie, als handle es sich um eine Anfrage, wie sie praktisch täglich an sie heran getragen wurde, und vielleicht war es ja auch so. Sie gab den weißgewandeten Frauen Anweisungen und forderte mich auf, sie zu begleiten. Wir gingen in einen abgetrennten Teil des Gartens. Er war von einer hohen Hecke umgeben, nur der Blick aufs Meer war offengelassen worden. Ich setzte mich neben sie auf eine Marmorbank mit Füßen in Gestalt von Delphinen und erzählte ihr meinen Traum. Sie verfolgte meine Schilderung mit einem Ausdruck tiefer Ernsthaftigkeit und sagte nichts, bis ich geendet hatte.
    »Das ist überaus ungewöhnlich«, sagte sie, als ich fertig war. »Aphrodite erscheint häufig in Träumen. Meistens, weil die Träumenden Probleme in Fragen der Liebe haben oder sich vor Unfruchtbarkeit oder den Gefahren einer Geburt fürchten. Sie hat Einfluß auf all diese Dinge. Hier auf Zypern und einigen anderen Inseln leitet sie auch die Gedanken und Entscheidungen der Seefahrer. Was du in deinem Traum gesehen hast, ist jedoch sehr untypisch.«
    »Dann war es vielleicht nur ein Spiegel meiner eigenen Sorgen, und die Göttin hatte gar nichts damit zu tun«, sagte ich, beinahe erleichtert.
    »Nein, was du gesehen hast, war durchaus eine echte Vision. Ich kenne das. Ihre Erscheinung in Meerschaumgestalt bedeutet, dass es die Aphrodite von Paphos und keine andere war.« »Aber was hat es zu bedeuten?«
    »Hast du eine Börse bei dir, Senator?« fragte sie unvermittelt. »Ja«, erwiderte ich überrascht und fragte mich, ob vor einer fachgemäßen Deutung vielleicht eine angemessene Spende verlangt wurde, obwohl ich mir das bei lone kaum vorstellen konnte.
    »Nimm die kleinste Münze heraus, die du hast«, befahl sie mir.
    Verwirrt zog ich den Beutel unter meiner Tunika hervor und kramte darin herum. Ich zückte eine Kupfermünze, die kleinste in Rom gängige Münze. Sie trug das schlampig geprägte Bild eines Auguren aus der vorherigen Generation. Ich gab ihr das Geldstück, und sie wog es in ihrer Hand.
    »Wie nennt ihr das Metall, aus dem diese Münze gemacht ist?«
    »Das lateinische Wort lautet aere«, antwortete ich. »Und wie heißt es auf griechisch?«
    Ich überlegte einen Moment. »Kyprios.« Dann begriff ich. »Das heißt, aus Zyperns nicht wahr?« Und dann fiel mir ein, dass Aphrodite in Gedichten häufig »Kypris« genannt wird.
    »Genau. Schon seit den Tagen der alten Pharaonen wird auf dieser Insel Kupfer gefördert. Die Kupferminen von Zypern waren der Schatz dieser Insel, so wie die Silberminen von Laurium den Wohlstand Athens ausgemacht haben. Was die Göttin dir in deinem Traum gezeigt hat, ist das Ergebnis von mehr als zweitausend Jahren Kupferabbau. Das Land ist verwüstet, der Boden durch Grabungen und Erosion zerstört, die Bäume als Brennholz zum Schmelzen von Erz abgeholzt.« »Wieviel von der Insel ist zerstört?« fragte ich.
    »Das meiste«, sagte sie traurig. »Was vom Meer aus so anmutig aussieht, wird nur ein paar Schritte landeinwärts zum Ödland. Die Insel hat die Pharaonen, die großen Könige und mazedonischen Eroberer reich gemacht, und nun soll sie offenbar auch noch Rom bereichern. Doch ich glaube nicht, dass Aphrodites Wahl, wenn sie sich heute eine Heimat aussuchen müsste, noch einmal auf Zypern fallen würde.«
    Ich war schockiert und betrübt. Wenn es etwas gibt, was einen Italier garantiert empört, ist es die Zerstörung fruchtbaren Landes. Manchmal behandeln wir andere Völker mit großer Brutalität, doch das Land respektieren und ehren wir immer. Im Grunde unseres Herzens sind wir nach wie vor kleine Landbesitzer, die ihre paar Felder und Obstgärten bestellen. »Warum hat sie das mir offenbart?« fragte ich. »Es gibt gewiss nichts, was ich gegen die Zerstörung ihrer Heimat tun könnte.« »Aber eines Tages wirst du etwas dagegen tun können«, sagte die hohe Priesterin. »Du bist ein Römer aus einer

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