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Die Schiffe der Kleopatra

Die Schiffe der Kleopatra

Titel: Die Schiffe der Kleopatra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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später erhob sich, größer als der gewaltigste Koloß, eine wunderschöne Frau aus dem Wasser, die natürlich die Göttin Venus war (nun ja, Aphrodite, um genau zu sein). Sie bestand noch immer aus halb durchsichtigem Schaum, wofür ich dankbar war, denn der Anblick einer echten Göttin hätte mich selbst in meinem Traumzustand zu Staub zerfallen lassen. So etwas ist nun mal nichts für die Augen von Sterblichen. Doch ich spürte keine Angst, sondern empfand eher Ehrfurcht vor einer Reinheit, wie ich sie in meinem langen Leben selten gekannt habe.
    Wie eine große Wolke schwebte sie über den Wellen, doch ihre Füße hinterließen Abdrücke auf dem Wasser, als ob sie über ein blaugrünes Laken wandelte, das man über ein Bett aus feinsten Daunen geworfen hatte. Als sie die Küste erreichte, erwartete ich in dem winzigen Städtchen hektische Betriebsamkeit zu sehen, Menschen, die aus ihren Häusern stürzten, Loblieder anstimmten und die Altarfeuer schürten. Doch ich konnte unter den winzigen Bewohnern des Ortes keine Reaktion ausmachen. Sie sahen die Gestalt nicht. Mit einer anmutigen Geste bedeutete die Göttin mir, ihr zu folgen. Wir gingen an der Küste der Insel entlang, vorbei an zahlreichen kleinen Buchten, manche von kleinen Fischerbooten bevölkert, andere menschenleer. Ich befand mich nicht länger auf der Flughöhe eines Adlers, konnte jedoch die höchsten Bäume nach wie vor leicht überblicken, so dass ich mir nun vorkam wie eine Möwe, die ihre Kreise zog, was allerdings daran gelegen haben mag, dass ich über dem Wasser schwebte. Denn als Begleiter der Aphrodite war ich vermutlich eine Taube, weil ihr dieser Vogel heilig ist.
    Wir erreichten einen Teil der Insel, der anders aussah als der Rest. Die ganze Gegend war total abgeholzt worden, in der aufgerissenen Erde klafften riesige Gruben. Überall stiegen Rauchsäulen in den Himmel, als stünden Hunderte von Gehöften in Flammen.
    Die Göttin entstieg dem Meer und begann über die Insel zu wandeln, wobei ihre Zehen nur gerade die Kuppen der Hügel streiften. Ich folgte ihr, in Höhe ihrer makellosen Hüften fliegend.
    Im Binnenland war die Verwüstung noch verheerender. Ganze Hügel und Täler bestanden nur noch aus Lehm und Fels, waren von Erosionen durchfurcht und von einem schlammigen und stinkenden Fluß durch zogen. Überall machten Gruben und Tunnel die Insel leprös. Nach und nach verblaßte das Licht am Himmel, nur die Sockel der Rauchsäulen schimmerten düster und rötlich wie von ewig brennenden Feuern.
    Als wir die andere Seite der Insel erreicht hatten, dämmerte es bereits wieder. Die Nacht war mit dem magischen Tempo von Träumen verflogen. Die Göttin ging wieder hinaus auf die Wellen. Die Küste unter mir war grün und anmutig. Kein unnatürlicher Raubbau ruinierte die Landschaft, alles war von erhabener Vollkommenheit.
    Aphrodite (wenn sie es wirklich war und nicht ein Phantom in ihrer Gestalt) wandte sich ein letztes Mal um und sah mich mit einem Ausdruck großer Traurigkeit in ihrem makellosen Gesicht an, bevor ihre Gestalt sich aufzulösen und in sich zusammen zu fallen begann, bis nichts mehr von ihr übrig war außer den Schaumkronen auf den Wellen.
    Am nächsten Morgen spazierte ich wie benommen durch die Welt. Anders als die meisten meiner Träume verblaßte dieser in meiner Erinnerung überhaupt nicht, sondern blieb bis in die Einzelheiten scharf, so dass ich nicht daran zweifelte, eine Vision von größter Wichtigkeit empfangen zu haben. Doch was hatte sie zu bedeuten? Natürlich gibt es professionelle Traumdeuter, doch ich habe ihren Talenten stets misstraut. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass die Göttin nicht in Rätseln mit mir gesprochen hatte, sondern mir eine Realität aufgezeigt hatte, wobei jedoch unklar blieb, ob es sich um eine Darstellung der Gegenwart oder eine Prophezeiung für die Zukunft handelte.
    Ich ließ Hermes zu Hause zurück, damit er mögliche Nachrichten vom Marinestützpunkt an mich weiterleiten konnte, und ging in die Stadt. Es war noch früh, doch das Gerücht von dem Mord machte bereits schwirrend die Runde. Die Leute beäugten mich argwöhnisch, als fürchteten sie irgendeine gewalttätige Rache Roms, doch ich beachtete sie kaum. Meine Gedanken waren mit höheren Dingen beschäftigt. Fast unwillkürlich lenkte ich meine Schritte zum Tempel der Aphrodite zurück.

    »Senator!« Die Priesterin Tone sah mich überrascht an. »Du kommst so bald zurück?« Sie beaufsichtigte einen Schwarm ihrer

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