Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
dazu auffordert.« Dorcas grummelte einmal mehr. Masklin wußte inzwischen, daß der Erfinder immer leise vor sich hin brummte, bevor er schlechte Nachrichten verkündete. »Nun, mein Junge, ich bin sechs«, sagte er. »Ich habe viele Leute kennengelernt, und daher ist mir eins klar: Wenn man zehn Nomen nimmt und ihnen ›Zieht!‹ zuruft, dann drücken vier von ihnen, und zwei fragen: ›Wie bitte?‹ So sind die Leute nun mal. Es liegt in der Natur der Nomen.« Er lächelte schief, als er Masklins bestürzten Gesichtsausdruck bemerkte.
»Du solltest uns einen kleinen Lastwagen zur Verfügung stellen. Damit wir üben können.« Der Jäger nickte niedergeschlagen.
»Und noch etwas«, fuhr Dorcas fort. »Hast du dir überlegt, wie wir alle an Bord bringen? Zweitausend Wichte. Und jede Menge Gepäck. Von Omas und Kleinkindern kannst du kaum erwarten, daß sie sich an Seilen entlanghangeln oder durch kleine Löcher kriechen, oder?« Masklin schüttelte den Kopf.
Dorcas beobachtete ihn und lächelte wieder.
Dieser
Wicht
versteht sein Handwerk,
dachte er.
Aber wenn ich ihm
Überlaß alles mir
sage, dann überläßt er mir tatsächlich alles. Geschieht mir ganz recht. Oh, bei der Tiefenanalyse: Warum sind Leute immer so schwierig?
»Hast du eine Idee?« fragte er. »Für deine Hilfe wäre ich dir sehr dankbar.« Dorcas warf dem jüngeren Nom einen nachdenklichen Blick zu und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich habe mich hier umgesehen«, sagte er. »Vielleicht gibt es eine Möglichkeit, sowohl zu üben
als auch
das andere Problem zu lösen. Komm morgen abend hierher und laß dich überraschen, einverstanden?« Masklin nickte.
Wir haben einfach nicht genug Leute,
fuhr es ihm durch den Sinn, als sie das Führerhaus verließen. Viele Eisenwarenler halfen, auch die Angehörigen einiger anderer Abteilungen.
Hinzu kamen einige junge Wichte, die sich davonstahlen, weil sie sich etwas Aufregendes erhofften. Doch für den Rest der Nomen ging das Leben wie gewohnt weiter.
Im Kaufhaus schien sich kaum etwas verändert zu haben.
Abgesehen davon, daß während Geöffnet noch mehr Menschen kamen und noch mehr Lärm verursachten.
Was die Familienoberhäupter betraf… Allein der Graf zeigte Interesse, und Masklin argwöhnte, daß nicht einmal er an das baldige Ende des Kaufhauses glaubte.
Unsere Bemühungen bedeuten nur: Die Eisenwarenler lernen lesen, worüber sich die Kurzwarenler ärgern – und das amüsiert den Graf.
Selbst Gurder schien nicht mehr so überzeugt zu sein wie vorher.
Masklin kehrte in seinen Schuhkarton zurück, schlief und erwachte eine Stunde später.
Kapitel 11
Der Schrecken hatte begonnen.
Lauf zum Lift.
Lift, warum trägst du mich nicht? Lauf zu den Wänden.
Wände, warum versteckt ihr mich nicht? Lauf zum Lastwagen.
Lastwagen, warum nimmst du mich nicht auf?
Alles an einem Tag.
Aus dem
Buch der Nomen
, Ausgänge,
Kapitel 1, Vers I
Es begann mit Stille zu einer Zeit, während der es eigentlich laut sein sollte. Tagsüber waren alle Nomen an das von Menschen verursachte dumpfe Pochen und Brummen gewöhnt, und deshalb nahmen sie es gar nicht mehr zur Kenntnis. Jetzt wich diese beständige Geräuschkulisse einer seltsamen, gespenstischen Stille. Natürlich gab es Tage, an denen keine Menschen ins Kaufhaus kamen – zum Beispiel erlaubte ihnen Arnold Bros (gegr. 1905) manchmal, eine ganze Woche fortzubleiben, oft zwischen der Aufregung von Weihnachten und dem Durcheinander des
Winterschlußverkaufs.
Aber die Wichte hatten so etwas schon oft erlebt; es gehörte zum Rhythmus des Lebens im Kaufhaus. Diesmal jedoch …
Nach einigen Stunden Stille hörte man keine Bemerkungen mehr wie: Seid unbesorgt; es hat überhaupt nichts zu bedeuten.
Oder: Wahrscheinlich ist heute ein besonderer Tag für die Menschen. Oder: Einmal dauerte das Geschlossen mehr als eine Woche lang, und man klebte anderes Papier an die Wände und so.
Einige besonders tapfere Nomen wagten es, die Welt unter dem Fußboden zu verlassen und sich in den riesigen Sälen umzusehen.
Leere erstreckte sich zwischen den vertrauten Ladentischen.
Und es lagen kaum mehr Dinge in den Regalen.
»So ist es immer nach einem Großen Verkauf«, sagten sie.
»Und dann, ganz plötzlich, sind die Regale wieder voll. Wir brauchen uns deshalb keine Sorgen zu machen. Es gehört alles zu Arnold Bros’ (gegr. 1905)
Plan.«
Und die Wichte hockten stumm im Halbdunkel, summten vor sich hin oder versuchten, sich mit irgendetwas von ihrer Unruhe abzulenken.
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