Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
sich keine besonderen Schwierigkeiten. Sie mußten sogar eine Autobahn überqueren, doch glücklicherweise war es nicht nötig, sich auf den Asphalt zu wagen. Ein für Dachse gebauter Tunnel ermöglichte es ihnen, zur anderen Seite zu gelangen. Unterwegs begegneten sie einem Dachs, der jedoch sofort weglief, als er sie sah. Schlechte Nachrichten wie bewaffnete Nomen sprachen sich rasch herum.
Und dann fanden sie einen Drahtzaun, kletterten daran herauf und beobachteten stundenlang, wie Flugzeuge landeten und starteten.
Dabei entstand ein inzwischen schon vertrautes Gefühl in Masklin: Einmal mehr glaubte er, etwas Wichtiges zu sehen.
Die Jets schienen groß und gräßlich zu sein, aber Lastwagen hatten zunächst den gleichen Eindruck erweckt. Man mußte nur über sie Bescheid wissen. Wenn man den richtigen Namen kannte, so wurde man damit fertig, hielt eine Art Hebel in der Hand. Eines Tages mochten Flugzeuge nützlich sein.
Eines Tages brauchen wir sie vielleicht.
Für den nächsten Schritt.
Seltsamerweise spürte Masklin Optimismus und Zuversicht.
Einmal prickelte herrliche Gewißheit in ihm: Nomen stritten, zankten, behinderten sich gegenseitig und neigten zu den dümmsten aller dummen Fehler, aber letztendlich würden sie es schaffen. Denn auch Dorcas hatte die Flugzeuge beobachtet, während er sich am Drahtzaun festhielt, und er wirkte dabei sehr nachdenklich. Masklin fragte ihn: »Angenommen – nur einmal angenommen, mehr nicht –, wir müßten einen fliegen – den Lastwagen stehlen … Kämen wir damit zurecht?«
Dorcas rieb sich das Kinn.
»Es sollte eigentlich nicht zu schwer sein, sie zu fahren«, erwiderte er und lächelte. »Immerhin haben sie nur drei Räder.«
Wühler
Am Anfang …
… schuf Arnold Bros (gegr. 1905) das Kaufhaus. Daran glaubten Tausende von Wichten – beziehungsweise Nomen –, die seit vielen Generationen [2] unter Arnold Bros (gegr. 1905) Bodendielen lebten. Das Kaufhaus wurde zu ihrer Welt. Zu einer Welt mit Dach und Wänden.
Wind und Regen waren uralte Legenden. Ebenso wie Tag und Nacht. Dafür gab es Sprinkler und Klimaanlagen, und das Leben in halbdunkler Enge unterlag dem Wechsel von ›Geöffnet‹ und ›Geschlossen‹. Die Jahreszeiten hießen Winterschlußverkauf, Frühjahrsmode, Sommerschlußverkauf und Weihnachten. Angeführt vom Abt und den Priestern der Büromaterialer verehrten die Wichte Arnold Bros (gegr. 1905) – auf eine ruhige, zurückhaltende Art und Weise, um ihn nicht aufzuregen. Sie hielten ihn für den Schöpfer der Welt, die nur aus dem Kaufhaus und seinem Inhalt bestand. Einige Nomen-Familien wurden reich und mächtig. Ihre Namen wiesen auf die Kaufhaus-Abteilungen hin, unter denen sie wohnten: Del Ikatessen, Eisenwarenler, Kurzwarenler und so weiter.
Und dann, auf dem Rücken eines Lastwagens, kamen die letzten Wichte aus dem Draußen ins Kaufhaus. Sie wußten, was es mit Wind und Regen auf sich hatte: Genau davor flohen sie.
Zu ihnen gehörten der Rattenjäger Masklin, Oma Morkie und Grimma – obwohl die beiden Frauen eigentlich nicht zählten. Hinzu kam das
Ding,
Niemand verstand das
Ding.
Schon seit Jahrhunderten befand es sich im Besitz von Masklins Volk, und die Wichte wußten, daß es wichtig war, mehr nicht. Als es in die Nähe von Elektrizität gelangte, begann es zu sprechen. Es bezeichnete sich als Denkmaschine aus einem Raumschiff, das die Nomen vor Jahrtausenden von einem fernen Kaufhaus – oder vielleicht von einem Stern – hierhergebracht hatte. Es behauptete auch, Elektrizität ›sprechen‹ zu hören, und die elektrische Stimme teilte ihm folgendes mit: In drei Wochen sollte das Kaufhaus abgerissen werden.
Masklin schlug den Wichten vor, mit einem Lastwagen aufzubrechen. Es war nicht weiter schwer zu lernen, einen großen Laster zu fahren. Als weitaus schwieriger erwies es sich, die übrigen Nomen davon zu überzeugen, daß er nichts Unmögliches von ihnen verlangte.
Er war kein Anführer. Manchmal träumte er davon, ein Anführer zu sein, stolz das Kinn vorzuschieben und Heldentaten zu vollbringen. Statt dessen mußte er diskutieren, erklären, zanken, überreden und gelegentlich auch ein wenig lügen. Er stellte fest: Wichte waren eher bereit, sich auf eine bestimmte Weise zu verhalten, wenn sie glaubten, aufgrund einer eigenen Idee zu handeln.
Ideen! Dort lag das Problem. Sie brauchten viele Ideen. Sie mußten Zusammenarbeit und Lesen lernen. Sie mußten sich an die Vorstellung gewöhnen, daß weibliche Nomen –
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