Die Schlacht der Nomen: Trucker, Wühler, Flügel
gedauert, den Boden hinter dem großen Schuppen vorzubereiten. Das wißt ihr ja.« Gurder hob wie beschwörend die Hand.
»Immer mit der Ruhe. Es ist sinnlos, sich schon aufzuregen, obwohl wir noch gar nicht wissen, ob die Menschen auch wirklich zum Steinbruch zurückkehren.«
»Und wenn wir sicher sind – dürfen wir uns
dann
aufregen?«
erklang eine griesgrämige Stimme. Masklin erkannte Nisodemus, der zu den Büromaterialern gehörte und Gurders Assistent war. Er hatte diesen jungen Wicht nie gemocht, und Nisodemus schien alle anderen Nomen unsympathisch zu finden.
»Ich habe mich hier nicht richtig, ähm,
wohl
gefühlt«, klagte Gurders Assistent. »Ich
wußte,
daß sich Probleme ergeben würden …«
»Na, na, Nisodemus«, sagte Gurder mit mildem Tadel. »Du brauchst nicht gleich zu jammern.« Er überlegte kurz. »Der Rat wird sich um diese Angelegenheit kümmern.«
Die zerknitterte Zeitung lag neben der Straße. Ein gelegentlicher Windstoß wehte sie weiter, während nur einen halben Meter entfernt der Verkehr vorbeidonnerte. Eine Bö erfaßte sie, und gleichzeitig raste ein Lastwagen heran, der einen langen Luftstrudel hinter sich herzog. Das Papier stieg auf, entfaltete sich wie ein Segel und trieb im Wind.
Unter den Bodendielen des alten Steinbruchbüros tagte der Rat.
Es waren nicht nur seine Mitglieder zugegen, sondern auch viele andere Wichte. Der Rest des Nomen-Volkes wartete draußen.
»Nun …«, begann Angalo. »Auf dem Hügel jenseits des Kartoffelfelds steht eine große Scheune. Es könnte nicht schaden, dort Vorräte anzulegen. Um vorbereitet zu sein. Nur für den Fall.
Wenn
etwas passiert, hätten wir wenigstens einen Unterschlupf.«
»Den Gebäuden im Steinbruch fehlt Platz unterm Boden«, sagte Dorcas düster. »Abgesehen von der Kantine und dem Büro. Hier können wir uns kaum verstecken. Wir brauchen die Hütten. Wenn die Menschen zurückkehren, müssen wir diesen Ort verlassen.«
»Um uns in der Scheune einzurichten?« fragte Angalo.
»Der Mann mit dem Trecker sucht sie manchmal auf«, gab Masklin zu bedenken.
»Wir gehen ihm einfach aus dem Weg. Wie dem auch sei…«
Angalos Blick glitt über die vielen Gesichter hinweg. »Vielleicht verschwinden die Menschen wieder. Vielleicht begnügen sie sich damit, ein paar Steine zu holen. Wir beauftragen jemanden, die Menschen zu beobachten. Und wenn sie fort sind, kehren wir hierher zurück.«
»Offenbar denkst du schon seit einer ganzen Weile an die Scheune«, bemerkte Dorcas.
»Masklin und ich haben darüber gesprochen, als wir dort auf die Jagd gingen«, erwiderte Angalo. »Stimmt’s, Masklin?«
»Hm?« Der ehemalige Rattenjäger starrte ins Leere.
»Erinnerst du dich? Wir sahen uns im Bereich der Scheune um, und ich meinte: Hier könnten wir uns verstecken, wenn es einmal erforderlich werden sollte. Und du hast ›ja‹ gesagt.«
»Hm«, kommentierte Masklin.
»Aber bald ist Winter«, mahnte ein Wicht. »Ihr wißt schon: Kälte; glitzerndes Etwas auf allen Dingen.«
»Rotkehlchen«, fügte jemand hinzu.
»Genau«, murmelte der erste Nom verunsichert. Und etwas lauter: »Ja, genau. Es ist bestimmt keine gute Idee, unterwegs zu sein, wenn Rotkehlchen umhersausen.«
»An Rotkehlchen gibt’s nichts auszusetzen«, verkündete Oma Morkie, die bis eben gedöst hatte. »Mein Vater meinte immer: Rotkehlchen sind recht lecker; es ist nur schwierig, sie zu fangen.« Sie strahlte voller Stolz. Diese Bemerkung wirkte auf die meisten Anwesenden wie ein Schlag auf den Kopf.
Dutzende von Augen blinzelten in einer Mischung aus Verwirrung und Benommenheit. Schließlich sagte Gurder: »Ich bin noch immer der Ansicht, daß wir uns derzeit keine zu großen Sorgen machen sollten. Warten wir ab – in Vertrauen auf Arnold Bros (gegr. 1905) und seinen Beistand.«
Stille.
Angalo beendete sie mit einem sehr leisen und sehr ironischen Flüstern: »Oh, klar, dann haben wir nichts mehr zu befürchten.«
Neuerliche Stille. Doch diesmal war es eine dichte, schwere Stille, die ständig dichter, schwerer und bedrohlicher wurde, wie Gewitterwolken, die sich über einem Berg zusammenballten – bis der erste Blitz aus ihnen hervorzuckte und Erleichterung brachte.
Er gleißte
jetzt
.
»Was hast du gesagt?« fragte Gurder langsam.
»So denken alle«, verteidigte sich Angalo.
Die Mehrheit der Anwesenden entwickelte plötzliches Interesse an ihren Füßen.
»Und was meinst du damit?« erkundigte sich der Abt.
»Wo ist Arnold Bros (gegr. 1905)?«
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