Die Schlacht der Trolle
daran, alles ändern zu können, solange er nur weiterkämpfte. Er hatte Freunde verloren, Familie, Kampfgefährten. Jeden Schlag hatte er ertragen, jede Wunde war verheilt. Doch dieser Streich, erkannte sie, war tödlich.
Du bist nicht allein, du bist nicht allein, war alles, was Flores denken konnte, während ihr Bruder in ihren Armen innerlich zerbrach.
21
D ie polierte Bronzescheibe zeigte ein hageres Gesicht. Obwohl die Haut von der Sonne gebräunt war, sah man die Erschöpfung. Unter den Augen lagen dunkle Ringe, und ein ungepflegter Bart bedeckte Wangen und Kinn. Aus dem nassen Haar liefen Tropfen über seine Schläfen, als Tamár das Messer ansetzte und sich rasierte. Hinter ihm raschelte der Zelteingang, als jemand eintrat.
»Vezét, ich habe Eure Stiefel geputzt.«
»Danke, Köves«, murmelte der Masride, während die Klinge über seine Haut schabte. Das Öl, mit dem Tamár seinen Bart eingerieben hatte, duftete nach Moschus. Sorgfältig entfernte er die Barthaare, bevor er sich Kinn und Wangen mit einem trockenen Tuch abrieb.
Ohne den ungepflegten Bart sah er im Spiegel besser aus, auch wenn die Müdigkeit noch immer deutlich zu erkennen war. Die hohen Wangenknochen stachen hervor und ließen sein Gesicht eingefallen wirken. Ich darf nicht als Geschlagener erscheinen, dachte Tamár grimmig. Ich bin Marczeg Békésar, Fürst der Masriden. Ich trete vor Wlachaken; sie müssen sehen, dass ich Herr über meine Lage bin. Mit der Hand strich er über die kurzen Stoppelhaare auf seinem Schädel, die Köves gestutzt hatte. Nur die Locke am Hinterkopf hatte der Szarke lang gelassen, wie es bei seinen Leuten unter den Kriegern Tradition war. Und sind wir nicht alle Krieger in diesen Tagen?
Da Tamár bei der Flucht aus Turduj nur die Kleider mitgenommen hatte, die er am Leib trug, hatte er das Angebot von Ionnas Bediensteten annehmen müssen, ihm angemessene Gewänder zu überlassen.
Seine Rüstung hing mitsamt den Untergewändern auf einem Rüstungsständer. Auch wenn Köves sich bemüht hatte, so hatte der Szarke kaum mehr als den gröbsten Schmutz entfernen können. Die Löcher waren zwar geflickt, der Schlamm abgewischt, aber an vielen Stellen war das Leder noch vom Blut dunkel verfärbt. Mein Blut, Vaters Blut, das Blut unserer Feinde. Vergossen auf den Zinnen von Turduj, auf denen nun Laszlár Szilas Wein aus unseren Kellern säuft. Während mein Vater ungerächt bleibt.
Die neuen Gewänder kratzten, die langsam verheilenden Wunden juckten, aber Tamár achtete nicht darauf. Als Köves ihm den Bronzespiegel vorhielt, nickte der Masride zufrieden. Ionnas Schneider hatten ganze Arbeit geleistet. Das Wams saß gut und betonte seine breiten Schultern, während der Wappenrock mit dem Greifen fast aus den Waffenkammern Turdujs stammen konnte, so ähnlich waren Schnitt und Farben. Der Streithammer hing in einer Öse am Waffengurt.
»Gut«, sagte Tamár zu sich selbst. Das wird genügen müssen.
Von dem Eingang des Zeltes her ertönte es höflich: »Marczeg?«
»Ja?«
»Voivodin Ionna schickt mich, um Euch zum Rat zu geleiten.«
»Gut. Warte«, antwortete Tamár brüsk und setzte sich auf das niedrige Bett. Mit einem Wink wies er Köves an, die Stiefel zu bringen. Ohne große Eile zog er sie an und atmete zweimal tief durch. Dann erst trat er durch den Eingang hinaus. Obwohl die Sonne schon hoch am Himmel stand, wirkte der Tag trübe. Wolken bedeckten den Himmel und tauchten die Welt in ein verschwommenes Licht. Mit einem ernsten Nicken begrüßte der Masride den dunkelhaarigen Boten und blickte sich um. Das Lager war ruhig, die meisten Soldaten und Angehörigen des Trosses ruhten sich aus und warteten ab.
Gemessenen Schrittes folgte Tamár dem Wlachaken, der ihn zu Ionnas prächtigem Zelt führte. Die beiden Wachen machten respektvoll Platz, und der Bote schlug den Eingang für Tamár zurück. Als dieser eintrat, war er für einen Moment beeindruckt, denn von innen wirkte das große Zelt noch gewaltiger. In der Mitte stand eine flache Feuerschale, in der einige Kohlen glühten. Ansonsten wurde das Zelt von Laternen und den geöffneten Luken erhellt. Farbige Banner hingen von den Querverstrebungen herab, und es gab bequeme Stühle, auf denen Kissen und Felle lagen. Aber die schon anwesenden Wlachaken saßen nicht, sondern standen alle.
Im schummrigen Licht erkannte der Masride Ionna, die auf einem leicht erhöht stehenden Sessel Platz genommen hatte. Links und rechts der wlachkischen Herrscherin
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