Die Schlacht der Trolle
braucht das Bündnis mit uns Wlachaken sogar zwangsläufig, denn allein mit seiner geschlagenen Armee wird er kaum in den kommenden Schlachten bestehen können.
Im Norden grollte noch immer der Donner in den dunklen Wolken. Gemeinsam mit den Masriden und Szarken schloss Flores zu Tamár auf, der hoch aufgerichtet weiterritt, ohne dass sein Gesicht verraten hätte, welche Gedanken er sich ob der ungewissen Zukunft machte.
In den frühen Stunden des nächsten Abends kam endlich der Iames in Sicht. Jenseits des Flusses standen Zelte, vor deren Eingängen bunte Wimpel in der Abendbrise wehten. Der Wind hatte aufgefrischt und trieb kühle Luft vor sich her, während breite Wolkenbänder über den Himmel zogen. Das Lager der Wlachaken war größer, als Flores vermutet hatte. Anstelle eines kleinen Gefolges schien Ionna viele ihrer Krieger versammelt zu haben. Sie bereitet einen Kriegszug vor, erkannte die Söldnerin.
Etwas oberhalb der Stelle, wo der Iames in den Magy mündete, befand sich eine Furt. An dieser hatte vor mehr als zwei Jahrhunderten die berüchtigte Schlacht stattgefunden, in der die Masriden unter der Führung von Arkas Dîmminu das Aufgebot der Wlachaken geschlagen und ihren Kralj Tirea getötet hatten. Flores erschien der Ort passend. Schon bald würde hier wieder die Geschichte des Landes weitergeschrieben werden. Obwohl sie darüber nachgrübelte, ahnte sie nicht, welche Entschlüsse Ionna wohl gefasst hatte.
Durch die lange Trockenheit standen die Wasser des Iames niedrig. Knochenfelder wurden die Auen zu beiden Seiten des Flusses genannt, nach all den Toten, die hier nach der Schlacht verscharrt worden waren, und deren Gebeine immer wieder vom Wasser freigespült wurden. Ohne zu zögern, trieb Tamár sein Kriegspferd in das Wasser. Auf der anderen Seite musste der Trupp einen kleinen Hügel hinauf, um zu Ionnas Lager zu kommen. Wlachkische Krieger empfingen die erschöpften, staubbedeckten Reiter und geleiteten sie durch die engen Gassen zwischen den Zelten. Überrascht bemerkte Flores die vielen verschiedenen Wappen. Die Adligen waren aus allen Teilen des Landes zusammengekommen. Dies konnte nur bedeuten, dass Ionna Zeit gehabt hatte, ihre Untergebenen zu versammeln. Bedeutet das auch, dass Şten hier ist?
Überall sah die Söldnerin Bewaffnete und Gerüstete, die in Gruppen an Feuern oder unter den Vordächern der Zelte saßen. Mehr als ein Gesicht war ihr vertraut, und hier und da nickte man ihr zu.
Schließlich erreichten die Reiter einen Platz, an dem einige große Zelte standen. Vor dem höchsten prangten Ionnas Rabenbanner. Steifbeinig stieg die Wlachakin ab und gab die Zügel mit einem dankbaren Lächeln einem herbeieilenden Jungen. Hinter sich hörte sie rasche Schritte. Bevor sie sich noch umdrehen konnte, schlangen sich kräftige Arme um sie.
»Den Geistern sei Dank, du lebst«, jubelte Sten. Sie genoss die Umarmung ihres Bruders, wandte sich um und drückte ihn an sich. Als sie sich losließen, legte ihr Zwilling Flores die Hände auf die Schultern und hielt sie auf Armeslänge.
»Wir hatten bereits das Schlimmste befürchtet. Ich wollte schon nach Turduj aufbrechen, aber die Trolle und Ionna haben mich zurückgehalten. Und …« Die Worte sprudelten nur so aus Stens Mund, bis er ihren Blick bemerkte und innehielt. »Was ist los?«
Er nahm die Hände herunter, wich einen Schritt von ihr zurück, und seine Augen wanderten suchend über die Reihen der Masriden. »Wo ist Viçinia?«
Seine Stimme klang plötzlich heiser. Flores wollte ihn wieder in den Arm nehmen, ihm die schreckliche Nachricht mitteilen, doch sie war wie gelähmt. Trauer schnürte ihr die Kehle zu, und Tränen traten ihr in die Augen. Langsam, ungläubig schüttelte Sten den Kopf.
»Nein«, flüsterte der junge Krieger. »Nein. Nein, das ist nicht wahr. Nein.«
»Sten«, begann Flores, aber ihr Bruder sank auf die Knie, bevor sie weitersprechen konnte. Immer noch schüttelte er den Kopf, mit zitternden Lippen.
»Nein!«
Sein Schrei verklang zwischen den Zelten, wurde vom Wind davongetragen. Verzweifelt kniete sich die Wlachakin neben Sten und umarmte ihn. Lautlos schluchzte er, seine Tränen rannen über Flores’ Nacken, alles Leben schien aus seinem Körper gewichen zu sein. Auch Flores weinte, trauerte mit und um ihren Bruder. Stets war Sten stark gewesen, immer hatte er sich allen Herausforderungen und Feinden gestellt. Er hatte dem Tod ins Auge gesehen. Er hatte nie das Vertrauen verloren, den Glauben
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