Die Schlacht der Trolle
selbst!
»Genug«, rief Ionna, die Tamár nicht aus den Augen ließ, und ihre Untergebenen beruhigten sich. Alle sahen die Voivodin erwartungsvoll an, als unvermittelt der Vorhang des Eingangs zurückgeschlagen wurde und drei weitere Personen eintraten.
»Oh. Verzeiht, bin ich zu spät?«, fragte ein kleiner Mann mit rotem Haar, der sich überrascht im Zelt umsah. Seine Kleidung war prunkvoll und fremdländisch, und er wurde von zwei Kriegern flankiert, die in prächtigen Rüstungen steckten.
»Nein, edler Gesandter, jedenfalls nicht in besonderem Maße«, antwortete Ionna mit erzwungen ruhiger Stimme. »Erlaubt mir, Euch vorzustellen: Dies ist Sargan, der Gesandte des Goldenen Imperiums. Und dies ist Marczeg Tamár Békésar.«
»Ah. Ich hatte mir Euch etwas älter vorgestellt, muss ich gestehen«, bemerkte der Dyrier und machte eine vollendete Verbeugung.
»Ihr denkt vermutlich an meinen Vater«, murmelte Tamár und blickte zu Ionna. Das Schweigen der Fürstin irritierte den Masriden, und er fühlte sich mehr als nur unwohl. Seine Instinkte rieten ihm zur Flucht. Sich der Gnade der Wlachaken auszuliefern war von vornherein eine schlechte Idee. Ich hätte in den Norden gehen und meine Truppen dort zusammenziehen sollen. Jetzt sitze ich wie eine hungrige Ratte in der Falle. In einer Falle der Wlachaken, beim Himmlischen Licht!
»Gut möglich, verzeiht den Irrtum«, erwiderte Sargan jovial und schritt in den Kreis, wobei er die Anwesenden mit prüfenden Blicken maß. »Ich habe bereits viel von den Taten der Familie Békésar gehört.«
»Ihr seid zu gütig.«
Die Anwesenheit des dyrischen Gesandten überraschte Tamár nicht. Die Delegation war durch das Land seiner Familie gezogen und hatte die baldige Ankunft eines Gesandten in Turduj angekündigt. Dass die Dyrier sowohl mit Wlachaken als auch mit Masriden in Verhandlungen traten, entsprach genau Tamárs Bild von den intriganten, Ränke schmiedenden Herren des Goldenen Imperiums.
»An welcher Stelle der Diskussion sind wir angelangt?«
»An der Stelle, an der dieser masridische Bastard zugegeben hat, Nemes Viçinia getötet zu haben«, platzte der Narbenübersäte heraus, was ihm einen warnenden Blick von Flores einbrachte.
»Das hat er nicht gestanden«, zischte die Söldnerin.
»Ob er nun selbst Hand an sie gelegt hat oder nicht, ist nicht von Bedeutung! Er trägt die Schuld, und das hat er auch zugegeben!«
»Wart Ihr dabei, Bojar Micon cal Doleorman? Habt Ihr die Ereignisse in Turduj miterlebt, so wie ich?«
Der Name des Bojaren klang Tamár vertraut, und schließlich erkannte er, um wen es sich handelte. Nach dem Sieg über Zorpad waren Ionna eine ganze Handvoll Lehen in die Hände gefallen, die schon lange nicht mehr von Wlachaken beherrscht worden waren. Manchmal gab es noch Erben, aber häufig hatte Ionna die Ländereien neu vergeben müssen. Dabei hatte sie natürlich besonders ihre Vertrauten bedacht, und so mancher Veteran hatte sich plötzlich als Bojar wiedergefunden. Micon war ein solcher, ein langjähriger Streiter für die Sache der Wlachaken, und ein berüchtigter Masridenhasser. Angeblich war er Ionna gegenüber absolut loyal, auch wenn er ihre Entscheidung, den Frieden mit den Feinden zu suchen, nicht guthieß. Vielleicht bekommt er ja bald, was er will, zuckte es Tamár durch den Kopf. Wenn Ionna einen Marczeg ausschalten will, dann hat sie jetzt die Gelegenheit und sogar einen triftigen Grund. Wieder suchten seine Blicke die der Fürstin, deren graue Augen ihn fixierten.
»Ich bitte Euch, nur um mir diese Dinge zu erklären, bedarf es doch keines Streites«, sagte Sargan lächelnd mit erhobenen Händen.
Dies brachte Micon dazu, sich mit säuerlicher Miene zu verneigen, während Flores Sargan zunickte und sich grüßend an die Stirn tippte.
»Nun, es bleibt die Frage, welches Vorgehen für unser Volk vernünftig ist«, richtete die Fürstin das Wort wieder an ihre Untergebenen. Vom Zorn war in ihrer Stimme nichts mehr zu spüren, und auch ihre Miene war wieder ausdruckslos.
»Unsere Feinde bringen sich gegenseitig um«, sagte Micon hastig und trat vor. »Die Masriden bekriegen sich offen. Endlich haben wir die Möglichkeit, unser Land ganz zurückzuerobern. In diesem Moment sind wir stark, weitaus stärker als unsere Feinde!«
In den Gesichtern vieler Anwesender konnte Tamár Zustimmung erkennen. Wer weiß, ob die Wlachaken den Regeln des Adels überhaupt folgen? Ob sie Ehre besitzen? Er straffte die Schultern und hob den Kopf,
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