Die Schlacht der Trolle
Angebot eines Bündnisses an Marczeg Tamár besteht weiterhin.«
Mit einem Nicken quittierte der junge Masride diese Aussage. Ein schweres Gewicht schien von ihm genommen. Seine Anspannung wich, und er atmete tief und befreit durch.
»Wir werden uns Marczeg Szilas entgegenstellen. Trotz unserer Verluste müssen wir nun an die Zukunft denken und unsere Pflicht erfüllen. Vielleicht wird nach diesem Feldzug endlich ein dauerhafter Frieden Einzug halten.«
»Was ist mit Pard?«, ertönte plötzlich eine leise, aber eindringliche Stimme. Alle Augen richteten sich auf Sten cal Dabrân, der Ionna fragend ansah.
»Unser Weg ist klar. Marczeg Laszlár Szilas stellt die größere Bedrohung dar. Aber wir …«
»Ich habe meine Hilfe zugesagt«, unterbrach Sten die Fürstin, was für einige aufgebrachte Gesichter sorgte. Auch Ionna runzelte die Stirn, ging jedoch nicht auf den Fehler des Adligen ein.
»Sie sollen zu einem Geistseher gehen, wie Ihr es vorgeschlagen habt, Bojar. Alles Weitere liegt in ihren eigenen Händen.«
»Ist das unsere Art, unsere Dankbarkeit zu bezeugen?«, knurrte Sten unvermittelt. »Unsere Verbündeten allein zu lassen, wenn sie unsere Hilfe benötigen?«
»Sten, Ihr vergesst Euch«, warf Istran ein. Verwirrt blickte Tamár zu Flores, die ihren Bruder mit trauriger Miene ansah.
»Ich vergesse mich keineswegs. Genauso wenig, wie ich meine Versprechen vergesse!«
»Bojar, ich habe meine Entscheidung getroffen. Die Pflicht gebietet …«
»Pflicht!«, rief der Wlachake höhnisch. »So wie Viçinia glaubte, ihre Pflicht in Turduj erfüllen zu müssen? Mir hat diese Pflicht alles geraubt, und jetzt …«
»Auch mir habt Ihr einen Eid geleistet«, unterbrach Ionna den Krieger kalt. »Und ich werde mangelnden Respekt mir gegenüber von niemandem dulden, auch nicht von Euch. Ich verstehe Euren Schmerz, Bojar. Dennoch müssen wir tun, was getan werden muss!«
»Was getan werden muss«, wiederholte Sten flüsternd und blickte mit versteinerter Miene zu Boden. Für einen Augenblick dachte Tamár, dass der Adlige sich wieder unter Kontrolle hatte und nachgeben würde, aber dann trat er einfach vor, ohne den Blick zu heben.
»Ich entsage all meinen Eiden und Verpflichtungen. Hiermit übergebe ich Dabrân, mein Lehen und mein Erbe an meine Schwester. Möge ihr beschieden sein, was mir verwehrt blieb.«
Ungläubig sah Tamár sich um. Keiner der Wlachaken schien die gerade gesprochenen Worte zu verstehen oder verstehen zu wollen. Er ist unter ihnen eine Legende, das Volk singt Lieder über ihn. Wie kann er seine Leute so enttäuschen?, dachte er empört. Wlachaken!
»Ich gedenke meinem Volk auf verschlungeneren Pfaden zu dienen. Wenn niemand sonst den Trollen helfen will, werde ich eben allein gehen.«
Mit diesen Worten drehte der ehemalige Bojar sich um und verließ das Zelt.
22
N atürlich wusste Sten, dass sie kommen würde. Zwar hatte er noch immer nicht wirklich begriffen, was er gerade getan hatte, aber die Reaktionen darauf konnte er sich gut vorstellen. Mit einem Ruck zog er den Sattelgurt fest. Seine Gliedmaßen schienen diese Arbeit von allein zu verrichten, während sein Geist ganz woanders war. Immer wieder kehrten seine Gedanken zu Viçinia zurück, die er nun niemals wiedersehen sollte. Diese Erkenntnis war so ungeheuerlich, dass er sie nicht in ihrer ganzen Bedeutung zu fassen vermochte. Eben noch, so schien es ihm, hatte sie in Dabrân neben ihm am Fenster gestanden und in die Nacht hinausgeblickt; nun wandelte sie, die immer so voller Leben gewesen war, auf den Dunklen Pfaden.
Seit Flores ihm gestern bei ihrer Ankunft die Nachricht überbracht hatte, fühlte er sich taub und weit entfernt von allem, was sich um ihn herum ereignete, als wäre die Welt und alles, was in ihr geschah, unwichtig und klein. Ionna muss mich für meine Worte bestrafen, dachte der Wlachake, doch er konnte sich nicht dazu durchringen, dies als bedrohlich zu erachten. Es kümmerte ihn nicht, was seine ehemalige Herrin mit ihm anstellen mochte.
Aber es kamen keine Soldaten, bis Sten sein Pferd gesattelt hatte. Niemand verhaftete ihn, doch als er gerade aufsteigen wollte, ertönte hinter ihm ein Schnalzen. Ohne sich umzudrehen, wusste er, dass es Flores war.
»Du könntest dich wenigstens dafür entschuldigen, dass du mich zur Bojarin gemacht hast, bevor du dich davonstiehlst.«
Sten warf seiner Schwester einen prüfenden Blick über die Schulter zu.
»Leg den Titel nieder. Mich kümmert es nicht.
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