Die Schlacht der Trolle
Irgendwer findet sich sicher, um in Dabrân zu herrschen. Vermutlich stehen alle unsere Helden schon Schlange.«
»Warst du es denn nicht, dem so viel an Dabrân und an Wlachkis lag, Brüderchen? Genug, dass du dein ganzes Leben lang für dieses Land gekämpft hast?«
»Du hast mir damals einen guten Rat gegeben«, entgegnete der junge Krieger ruhig und wandte sich Flores zu. »Jetzt erwidere ich diesen Gefallen: Geh fort. Verlass dieses Land. Du wolltest doch mit Sargan nach Dyrien. Tu es, geh mit ihm auf die Reise …«
»Warum?«
In Flores’ Miene zeigte sich Unverständnis. Einen Moment lang suchte Sten nach Worten, um seinen verwirrenden Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
»Weil es tötet. Weil die Erde hier mit Blut getränkt ist, seit Ewigkeiten schon. Weil sie gierig mehr und mehr fordert. Der Krieg endet nie, und langsam sterben alle, die uns etwas bedeuten. Wlachkis zehrt vom Hass. Es wird uns alle verschlingen, wenn wir es zulassen!«
Seine Schwester blickte ihn traurig an. Er wollte auf sie zugehen, sie in die Arme schließen, aber seine Beine waren wie gelähmt, und er tat keinen Schritt. Auch Flores blieb stehen, nur zwei Schritt von ihm entfernt.
»Ich vermisse sie auch«, sagte sie mit rauer Stimme.
»Ich weiß.«
»Ich werde nicht fortgehen. Ich werde deinen Titel annehmen.«
Überrascht sah Sten seine Schwester an. Bei seinem plötzlichen Entschluss hatte er nicht darüber nachgedacht, was danach mit dem Lehen seiner Familie geschehen würde. Insgeheim hatte er vermutet, dass Flores, die ihre Freiheit so sehr schätzte, den Titel keinesfalls übernehmen würde.
»Du gehst fort und tust, was du tun musst. Diesmal bin ich diejenige, die bleibt.«
»Gut«, erwiderte Sten und schwieg, denn er wusste ansonsten nichts zu sagen.
»Was ist mit den Trollen? Man hat mir erzählt, dass ein ganzer Haufen von ihnen bei Teremi in einem Keller sitzt.«
»Sie suchen Hilfe. Anda jagt sie ebenso, wie sie Menschen und Zwerge jagt. Wir wollten mit Ionnas Geistseherin Kaline reden, aber die ist schwer krank und fiebrig. Aus ihr ist kein vernünftiges Wort mehr herauszuholen. Deswegen werden wir zu Vangeliu gehen.«
»Du und die Trolle?«
»Ja. Es war keine gute Idee, sie allein zu lassen. Einige Veteranen sind in ihrer Nähe und achten auf sie. Aber ich habe versprochen, zurückzukehren und ihnen zu helfen.«
Flores’ Blick, der auf Sten ruhte, wirkte so traurig, als könne sie in die Abgründe seiner Seele sehen, wo er schon längst seinen Frieden mit dieser Welt gemacht hatte.
»Wir sollten uns nun wohl verabschieden. Viel Glück, Sten.«
»Leb wohl, Flores. Sichere Wege.«
»Sichere Wege, in allen Welten«, erwiderte Flores leise und wandte sich ab. Sten hob den Arm, wie um sie aufzuhalten, doch sie ging um die Ecke eines Zeltes und verschwand aus seinem Blickfeld. Wie angewurzelt stand der junge Wlachake da. Sie weiß es. Sie weiß, dass wir uns wohl nie wiedersehen werden.
Langsam schritt er zurück und hielt seine Hand an die Nüstern des leise schnaubenden Tieres. Dann schwang er sich in den Sattel und ritt los.
Kaum dass er am ersten Zelt vorüber war, trat der arrogante Masride, der sich als neuer Marczeg vorgestellt hatte, an ihn heran. Zunächst wollte Sten ihn einfach ignorieren und an ihm vorbeireiten, doch der blonde Mann verstellte ihm den Weg und fragte: »Habt ihr Nemes Flores gesehen? Ich dachte, ich hätte ihre Stimme gehört.«
»Sie ist fort«, antwortete Sten matt.
»Ihr habt meine Anerkennung, Sten cal Dabrân. Und ich möchte Euch mein Beileid aussprechen. Es muss hart gewesen sein, Eure Frau und Euer Kind auf einmal zu verlieren.«
Ohne eine Miene zu verziehen, nickte Sten und ritt weiter, bis ihm unvermittelt die Bedeutung der Worte aufging. Frau und Kind? Viçinia war … ihr Geister!
Kraftlos sackte er im Sattel zusammen. Das Pferd lief weiter und trug seinen Herrn aus dem Lager Richtung Westen, auch wenn Stens tränenblinde Augen den Weg kaum erkennen konnten.
Auf dem Weg nach Teremi dachte Sten lange darüber nach, warum Flores ihm nichts von Viçinias Schwangerschaft erzählt hatte. Wusste sie es nicht? Aber woher sollte der dreimal verfluchte Masride es dann wissen? Wollte sie mich schonen? Warum hat sie es mir verschwiegen? So sehr er auch darüber brütete, er kam zu keinem Ergebnis. Er machte einen Bogen um die Ansiedlungen am Fluss, und auch Teremi mied er. Die Nächte verbrachte er unter freiem Himmel, und tagsüber legte er nur Rast ein, um sein
Weitere Kostenlose Bücher