Die Schlacht der Trolle
trotz der schwülen Hitze ließ ein Wetterumschwung auf sich warten. Manchmal ballten sich dunkle Wolken am Horizont zusammen und verdeckten die Sicht auf die Gipfel der Sorkaten, doch bis ins Landesinnere kamen sie nie. Sofort, als Viçinia das kühle Gemäuer der Festung verließ, hatte sie das Gefühl, von der feuchtwarmen Luft beinahe erschlagen zu werden, die sich wie eine Decke über sie legte. Dennoch blieb sie in der prallen Sonne stehen und stellte sich vor, wie Sten gerade irgendwo bei Dabrân unter eben dieser Sonne stand, das Hemd ausgezogen, eine Schaufel in der Hand, während ihm der Schweiß langsam über die gebräunte Haut lief. Vor ihrem inneren Auge ließ sie das Bild entstehen, wie die Tropfen über seine Muskeln liefen und sich zu dünnen Linien vereinten, die in der Sonne glitzerten. Jahrelanger Kampf hatte Stens sehnigen Körper geformt und die eine oder andere Narbe hinterlassen. Viçinia konnte sich an jede Einzelheit erinnern, an die lange weiße Linie, die über seine Rippen lief, ebenso wie an die kreisrunde Narbe an seinem Oberschenkel.
»Bei den Geistern, war es so schlimm?«, ertönte plötzlich Flores’ Stimme neben ihrem Ohr, und sie zuckte zusammen.
»Was?«
»Du siehst erschöpft aus und irgendwie geistesabwesend. Ich dachte, die Besprechungen wären schuld daran«, meinte die junge Söldnerin.
»Oh, nein«, widersprach Viçinia. »Es ist nur die … diese fürchterliche Hitze.«
»Ja, ein Schauer wäre gut«, stimmte ihr Flores mit einem skeptischen Blick zum Himmel zu. »Aber wie war denn euer heutiges Tagespensum?«
»Genau wie das gestrige: Voller interessanter und ausführlicher Ansprachen der Dyrier.«
»Ha! Ich hatte dich gewarnt! Aber du wolltest ja nicht auf mich hören.«
Viçinia nickte mit gespielt grimmiger Miene. Tatsächlich hatte Flores darauf gedrängt, schnell abzureisen und so die langwierigen Gespräche zu umgehen, die es mit der Delegation geben würde.
»Es ist meine Pflicht, mich mit den Dyriern zu befassen. Die Gespräche sind wichtig für Wlachkis«, erklärte Viçinia, nur um dann lächelnd hinzuzufügen: »Gut, vielleicht nicht jedes der Gespräche.«
»Mir ist es egal, ich werde auch für jeden Tag bezahlt, den ich hier in der Feste faulenze.«
Bevor Viçinia antworten konnte, öffneten sich die Torflügel erneut, und Sargan schritt langsam und würdevoll in den Hof, gefolgt von zweien seiner Krieger. Mit einer Handbewegung wies der Dyrier seine Untergebenen an, stehen zu bleiben, und kam zu den beiden Wlachakinnen herüber. Sein Gewand funkelte geradezu in der Sonne. Der schwere, golddurchwirkte Stoff war sicherlich außergewöhnlich warm, doch man sah es Sargan nicht an, ob er unter der Hitze litt.
»Darf ich mich zu den Damen gesellen?«, fragte er am Tiefpunkt einer formvollendeten Verbeugung und richtete sich mit einem breiten Grinsen wieder auf.
»Sehr gern, ehrenwerter Gesandter«, erwiderte Viçinia mit einem Nicken.
»Nennt mich Sargan«, sagte der rothaarige Mann huldvoll.
»Wie auch sonst?«, erkundigte sich Flores.
»Mein voller Titel ist Mund des Goldenen Imperators, von Agdele Gesalbter, Auge und Hand des Palastes, Träger der Goldfeder …« Sargan verstummte und schien zu überlegen, was er vergessen haben könnte. »Und außerdem noch das eine oder andere. Aber das könnte meine Zeremonienmeisterin euch sicherlich genauer sagen.«
»Wo ist sie eigentlich? Es ist die erste Gelegenheit, Euch allein zu treffen. Bisher wart Ihr stets in Begleitung der Beamten.«
»Sie richtet mein Bad«, erläuterte Sargan mit einem süffisanten Grinsen. »Das dauert, denn ich habe hohe Ansprüche.«
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Viçinia den klein gewachsenen Dyrier an.
»Außerdem suche ich seit längerem nach einer Möglichkeit, meinen alten Freunden ohne großes Zeremoniell zu begegnen«, fuhr Sargan verschwörerisch fort.
Flores ließ alle Förmlichkeit fallen. »Wie kommt es, dass du Gesandter geworden bist? Zuletzt warst du ein nicht ganz erfolgloser … Spion.«
»Mein Erfolg als solcher ist mir zum Verhängnis geworden«, antwortete Sargan mit einem Seufzen. »Seit meiner Zeit hier gelte ich in meiner Heimat als Kenner von Wlachkis und seinen Bewohnern. Und seit das Kleine Volk den Handel mit dem Imperium abgebrochen hat …«
»Wie bitte?«, fielen ihm Flores und Viçinia ins Wort.
»Seit Monden schon. Niemand weiß, warum. Die Handelsplätze bleiben verlassen, Gesandtschaften finden nur verschlossene Türen
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