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Die schlafende Armee

Die schlafende Armee

Titel: Die schlafende Armee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Grund erhalten, daß er zu jenen Männern gehörte, denen man nachsagte, immer mit beiden Beinen fest auf dem Boden zu stehen. Aber in diesem Moment begann er, an böse Omen zu glauben, denn Stern hatte noch nicht ganz zu Ende gesprochen, als auf dem grünleuchtenden Monitor der Radarüberwachung gleich ein ganzes Dutzend neuer, giftgrün flimmernder Punkte erschien. Stern seufzte tief. »Das war's dann wohl«, sagte er niedergeschlagen. »Nichts auf der Welt kann den Weckvorgang jetzt noch aufhalten.« Auch Hartmann seufzte. Er sah Stern nicht an, aber der Leutnant konnte erkennen, wie sich ein Ausdruck tiefer, ehrlich empfundener Sorge auf seinem Gesicht breitmachte. »Ja«, flüsterte er. Dann gab er sich einen sichtbaren Ruck, drehte sich wieder zu Stern herum und rang sich zu einem Lächeln durch. »Halten Sie weiter die Augen offen, Stern«, sagte er. »Ich werde gehen und mich um unsere Gäste kümmern. Ich hoffe«, fügte er nach einer winzigen Pause und in verändertem Tonfall hinzu, »sie sind den Ärger wert, den sie uns bereiten.«
     
    *
    Sie gingen eine kurze, aus nackten, ungleichmäßig gegossenen Betonstufen bestehende Treppe hinab. Ein zweiter, etwas breiterer Gang nahm sie auf, von dem zahlreiche Türen abzweigten, aber Felss steuerte zielstrebig das Ende des Korridors an. Die Tür dort bewegte sich mit einem leisen, elektrischen Summen zur Seite, als sie sich ihr näherten. Felss blieb dicht davor stehen und machte eine einladende Handbewegung. Charity zögerte einen Moment, ging dann aber an dem jungen Soldaten vorbei. Die Tür schloß sich hinter ihr selbsttätig wieder, sie hörte das leise metallische Klicken, mit dem das Schloß einrastete. Der Raum, den sie betrat, überraschte sie. Sie hatte eine weitere, kahle Betonzelle erwartet - aber das Zimmer, in dem sie sich befand, hätte jedem guten Hotel zur Ehre gereicht; sah man von der Tatsache ab, daß es kein Fenster hatte. Die Wände waren mit Holzimitationen verkleidet, und es gab wenige, aber ausgesucht geschmackvolle Möbelstücke. An der gegenüberliegenden Wand hing ein riesiges Farbfoto, das das Panorama einer Stadt zeigte. Was Charity sofort ins Auge fiel, war der Umriß einer gewaltigen Kathedrale mit zwei spitzen Türmen, die sich vor dem glitzernden, blauen Band eines Flusses erhob. Dann erblickte sie einen grauhaarigen Mann, der in einem schweren Ledersessel hinter einem Schreibtisch saß und sie aus kalten, fast ausdruckslosen Augen musterte. »Sie sind Leutnant Hartmann, vermute ich«, sagte Charity. Hartmann nickte und deutete mit einer einladenden Geste auf eine kleine Couch, die an der Wand neben der. Tür stand. »Ich erspare mir die Frage, wie Sie sich fühlen, Captain«, sagte er. »Wahrscheinlich so, wie ich aussehe«, antwortete Charity. Hartmann zauberte ein mitfühlendes Lächeln auf sein Gesicht. »So schlimm?« »Sehe ich so schlimm aus?« Hartmann lächelte wieder und nickte. »Ja. Diese Schockwaffen sind ekelhaft, ich weiß. Ich hatte selbst schon zweimal das Vergnügen...« Er machte eine wegwerfende Handbewegung. »Aber lassen wir das. Im Ernst, Captain Laird - wie geht es Ihnen? Sind Sie verletzt?« »Nein«, antwortete Charity. »Warum haben Ihre Männer auf uns geschossen?« »Das ließ sich leider nicht vermeiden«, erwiderte Hartmann. »Sie hatten die Wahl zuzusehen, wie Sie und Ihre Freunde von den Ratten aufgefressen werden, oder Sperrfeuer in den ganzen Korridor zu legen. Ich nehme an, daß ihre Entscheidung im nachhinein Ihre Zustimmung finden wird, Captain Laird.« »Spielt das eine Rolle?« »Nein«, sagte Hartmann ruhig. Er schien noch mehr dazu sagen zu wollen, besann sich dann aber anders. Ein paar Sekunden sah er sie ausdruckslos, aber sehr aufmerksam von Kopf bis Fuß an, dann beugte er sich vor und nahm etwas von der Schreibtischplatte, das Charity als ihre ID-Plakette erkannte. Instinktiv hob sie die Hand und tastete nach der dünnen Kette an ihrem Hals. Sie war verschwunden. »Captain Charity Laird«, las Hartmann vor. »US-Space Force.« Er sah sie fragend, aber ohne echtes Interesse an. »Ist das Ding echt?« In der ersten Sekunde erschien es Charity nicht einmal der Mühe wert zu sein, auf diese Frage zu antworten. Aber sie beherrschte sich und schluckte die scharfe Entgegnung, die ihr auf der Zunge lag, herunter. »Ich glaube, ich wäre wahrscheinlich nicht mehr am Leben«, sagte sie statt dessen, »wenn Sie der Meinung wären, daß die Plakette nicht echt ist.« Hartmann

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