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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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diesmal wieder plötzlich festen Boden unter den Füßen zu spüren.
    Diesmal war der Boden weich. Darius stellte fest, dass er mitten in einem Wald stand, und dass ihn viele mächtige Bäume umgaben. Doch zwischen den Bäumen war es sehr hell, gefährlich hell. Angstvoll verbarg er sich im Schatten der alten Eiche, bei der er aufgetaucht war.
    Nach einer Weile stellte er aber fest, dass sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten. Die Sonnenstrahlen, die den lichten Wald durchdrangen, schmerzten ihn dennoch noch ein wenig. Immerhin fand er aber nun den Mut, sich von der Eiche zu entfernen.
    Wo mochte das junge Paar hingegangen sein? Sollte dieser Ausflug nach ähnlichen Gesetzmäßigkeiten ablaufen wie das letzte Mal, so müssten sie ganz in der Nähe sein.
    Darius schritt voran, lautlos und vorsichtig. Lustvoll atmete er den Duft des Laubes und der Erde. Hin und wieder roch es nach Pilzen, dann verströmte ein moderiger Ast seinen eigenen Geruch. Andächtig berührte er die moosige Rinde einer Buche.
    Dann hörte er etwas. Es klang wie ein ersticktes Rufen, oder gar wie ein Stöhnen. Kurz orientierte er sich, machte die Richtung aus, aus der das Stöhnen kam, und bewegte sich darauf zu. Es wurde auch tatsächlich lauter, und er näherte sich einer Lichtung. Noch scheute er sich, weiterzugehen. Was passierte wohl, wenn ein Sonnenstrahl ihn träfe? Doch die Mühelosigkeit, mit der er jetzt bei Tageslicht sehen konnte, machte ihn forscher. Leise schlich er sich heran und lugte über einen Busch.
    Sie liebten sich. Beide waren vollständig nackt. Sie lag rücklings auf seinem weit ausgebreiteten Mantel, alle anderen Kleidungsstücke lagen zerknüllt und wohl in wilder Hast — oder leidenschaftlichem Ungestüm — beiseite geworfen. Er lag auf ihr zwischen ihren Beinen und drang rhythmisch in sie ein. Beide küssten sich wieder und wieder und stöhnten vor Lust.
    Darius war etwas peinlich berührt, zumal ihn die Szene erregte. Ob ihn dies hierhin gezogen hatte? Wer waren nur diese beiden, besonders der junge Mann, der ihm so bekannt vorkam? Dezent wandte er sich ab. Und doch – er konnte nicht anders als, doch wieder hinzuschauen. Dieser Akt hatte eine besondere Bedeutung, für sie, für ihn, und für Darius selbst. Und für noch jemanden. Aber für wen?
    Darius hatte keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Erregung der beiden erreichte bald ihren Höhepunkt, beide Körper waren erhitzt und zitterten. Eng umschlungen verharrten sie noch eine Weile. Dann öffnete sie die Augen. Er küsste sie nochmals, legte sich dann dicht neben sie und legte seinen Arm um sie. Zärtlich zog er sie an sich heran und küsste ihr Haar.
    „Was denkst du jetzt von mir?“ fragte sie. Es klang unsicher und zaghaft.
    Der junge Mann streichelt sie.
    „Ich denke, dass du wundervoller bist, als dass ich es je beschreiben könnte und dass ich dich am liebsten gar nicht mehr loslassen möchte.“
    Darius nickte zustimmend in seinem Versteck. Mit dieser Frau dürfte er eine gute Wahl getroffen haben. Er war ganz bezaubert von ihrem Lächeln.
    Sie schmiegte sich an ihn.
    „Und du wirst bei mir bleiben?“
    „Ja. Nichts wünsche ich mehr.“
    Sie lächelte, und doch rann ihr eine Träne die Wange hinab. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter.
    „Ich liebe dich auch.“
    Darius war so gerührt, dass er still weinte. Er wünschte diesen beiden alles Glück der Welt.
    Lautlos machte er eine Handbewegung, als streichle er beiden über Kopf und Wangen. Es war zugleich eine Geste des Abschiedes.
    Darius verwehte wie ein Windhauch, sanft zog er über die beiden Körper hinweg, die eng umschlungen in der Sonne lagen. Sein Blick fiel noch auf die sonnenbeschienenen Zinnen einer Burg hinter den Baumwipfeln. Aus großer Höhe sah er die beiden Liebenden auf der Lichtung liegen. Dann öffnete er die Augen, um in das dämmerige Gewölbe zu blicken, unter dem er lag.

    „Sie haben geweint.“
    Eleonora ergriff seine Hand.
    Darius fühlte tatsächlich die Nässe auf seinem Gesicht. Trotzdem war ihm ganz leicht ums Herz.
    „Gab es Anlass zur Trauer?“ fragte Grim mitfühlend.
    „Oh nein! Gar nicht!“ antwortete Darius, „ich bin nur sehr bewegt.“
    Er besah sich lächelnd seine drei Begleiter.
    „Ich muss Ihnen gestehen, dass ich schon wieder etwas Wundervolles gesehen habe. Ich habe wieder die Liebe erlebt!“ sagte er etwas mitleidig, und er war belustigt, als er auf den Gesichtern einen leichten Anflug von Neid erkannte. „Ich bedaure aufrichtig,

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