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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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erkennen reichte es nicht. Langsam bewegte er sich weiter.
    Auf einmal stieß er auf eine Art Stufe. Vielmehr schien es sich um eine Art Muffe zu handeln, wie seine seitlich ausgestreckten Hände ihm verrieten. Tatsächlich setzte sich danach das Rohr fort wie zuvor. Die Krümmung wurde jedoch stärker. Darius vergewisserte sich bei jedem kleinen Schritt, dass er noch genug Halt hatte. Auch seine Hände nahm er zu Hilfe. Als er sich nochmals umblickte, war der Sternenhimmel seiner Sicht endgültig entschwunden.
    Dann geschah es. Genau das, was sein angstvoller Geist ihm die ganze Zeit vorausgesagt hatte. Das Rohr machte eine abrupte Biegung nach unten. Sein Körperreflex warf ihn nach hinten. Augenblicklich glitt er auf dem feuchten, schmierigen Grund aus und fiel hintenüber. Sofort begann er zu rutschen. Seine hastigen Versuche, sich festzuhalten, scheiterten an der glitschigen Rohrwand. Seine Finger griffen nur in weichen, nassen Morast. Unaufhaltsam beschleunigte sich sein Körper, bis er sich im freien Fall befand.
    Darius schrie nicht, aber alle Stimmen in ihm schrien dafür umso lauter. Lediglich einen entsetzten, gurgelnden Laut brachte er zustande. In grauenvoller Angst erwartete er den vernichtenden Aufprall, der seinen Körper zerschmettern würde. Er fiel und fiel.
    Plötzlich durchschlug sein Körper klatschend eine harte Wasseroberfläche. Darius spürte nur vage den sich rasch entwickelnden Schmerz an seinen Handflächen und in seinem Nacken. Das kalte Wasser drang ungestüm in alle Winkel und Falten seiner Kleidung. Wahllos um sich rudernd entdeckte er endlich die Richtung des Auftriebs und kraulte ungelenk mit Armen und Beinen nach oben. Es dauerte lange, bis er endlich auftauchte.
    Darius würgte etwas Wasser heraus. Er war es nicht gewohnt, mit seinem Mund etwas in sich aufzunehmen. Mitten in seiner Schreckensstarre entdeckte er verwundert, dass das Wasser frisch und klar schmeckte.
    Er fand heraus, dass einige wenige Bewegungen ausreichten, um sich über Wasser zu halten. Er sah sich um.
    Er befand sich in einer riesenhaften Höhle, die von einem schwachen, gleichmäßigen Licht erfüllt war. Weit, weit über sich erkannte er schemenhaft die raue Felskuppel. Über sich, aus der steinernen Decke von oben herausragend, das Ende des Rohres, durch das er gefallen war.
    Das Ufer des Sees, in dem er sich befand, war an den meisten Stellen steil und glatt. Überhaupt sahen die Felsen und Steine ganz anders aus als an der Oberfläche der Stadt – nicht so schroff und verwittert, sondern glatt, ausgewaschen und poliert von den unzähligen Mengen von Wasser, die seit Äonen hier hindurchgeflossen waren. Darius spürte eine leichte Strömung, und er ließ sich ein wenig treiben, um seine Umgebung weiter zu erforschen. Eigenartigerweise vollführte sein Körper dabei automatisch Schwimmbewegungen, die er niemals erlernt hatte, und die doch vertraut schienen.
    Erst jetzt wurde er der Geräusche gewahr, die die ganze Höhle erfüllten. Mächtiges, stampfendes Rumoren, wie von einer gigantischen Maschine.
    Jetzt konnte er auf einmal ein Licht ausmachen. Die Strömung bewegte ihn direkt darauf zu. Die Quelle des Lichtes war nirgends zu erkennen, aber aus der Richtung, auf die er sich zubewegte, streute diffuses Licht in die gesamte Umgebung.
    Die Geräusche schwollen an. Mit ihrem Lauterwerden tauchte die imposante Fassade eines wuchtigen Gebäudes mit nach hinten fliehender Front auf, aus dem etwa zwanzig dicke Rohre herausliefen und sich in den See senkten. Darius sah deutlich ihren metallischen Schimmer und die mit wuchtigen Muttern verschraubten Muffen. Überhaupt schien es sich gar nicht um ein Gebäude zu handeln, sondern um eine Art riesenhaften Tank, der aus zahlreichen Metallplatten zusammengeschweißt war. Dahinter ragte ein gewaltiges fabrikartiges klobiges Gebäude hervor, das massiv gemauert war, an dessen Fassade aber ebenfalls zahlreiche Leitungen und Rohre aller Größe entlangliefen und einem komplizierten technischen Zweck dienten. Das Gebäude hatte offenbar einen achteckigen Grundriss und mehrere, sich nach oben verbreiternde Stockwerke, nach Art eines auf dem Kopf stehenden Kegels, die alle kleine, dreieckige Fenster aufwiesen und den Blick freigaben auf einen gigantischen kolbenförmigen Kessel, der sich nach oben hin verjüngte und in ein zentrales Rohr mündete, das das Dach durchstieß und in der unendlichen Höhe der Höhlendecke verschwand. Durch einige Ventile, die wie Bienenkörbe

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