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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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hervorsprangen, dass seine Hand sich daran gut festhalten konnte, kam er endlich auf dem Sims zu stehen. Flüchtig sah er noch nach der Öffnung zur sicheren Wendeltreppe.
    Darius’ Hand griff an die Fensteröffnung. Er zog sich hoch. Vorsichtig näherte er seinen Kopf dem Fenster, durch das er einzelne Stimmen immer lauter hören konnte. Dann spähte er hindurch.
    Er blickte aus beträchtlicher Höhe in einen großen Raum, der von vielen flackernden Lichtern erhellt war. Das Fenster befand sich fast unmittelbar unter der gewölbten Decke. Mehrere Rohrleitungen verliefen parallel zur Decke und verschwanden an unterschiedlichen Stellen in der Wand, im Boden oder in der Decke. In der Mitte des Raumes befand sich eine Art steinerner Wanne, die länglich und relativ niedrig war. Die Ränder waren breit und flach, so dass alles eher wie ein klobiger Tisch aussah, der in der Mitte eine wannenartige Vertiefung hatte. Der Rand besaß zur Wanne hin einige Einkerbungen und wies zudem in regelmäßigen Abständen Metallpflöcke auf, die wie große Nieten in den Stein eingelassen waren. Am Kopfende befand sich eine eigenartige Apparatur aus bronzenen Rohren, Zahnrädern und Hebeln, gekrönt von einem mächtigen Kessel, der von unten von einer hellen, gleißenden Flamme erhitzt wurde. Regelmäßig verließ eine zischende Dampfwolke eines der Ventile.
    Als Darius sich weiter vorbeugte, erkannte er zudem, dass der gesamte Raum vollständig gekachelt war, und sich noch an mehreren Stellen Wasserbecken befanden, die mit Wasserzuläufen versehen waren. Außerdem standen an den Wänden einige Marmortische, auf denen metallene Instrumente lagen, deren Zweck Darius unbekannt war. Ein permanentes Zischen und Rauschen der verschiedenen aktiven Wasserrohre erfüllte den Raum.
    Die Stimmen, die Darius vernommen hatte, verstummten plötzlich. Stattdessen schnarrte eine einzelne Stimme einen kurzen Befehl.
    Kurz darauf öffnete sich eine Tür außerhalb von Darius’ Blickfeld.
    Vier verhüllte Gestalten trugen einen reglosen Körper hinein und legten ihn in die Wanne. Es handelte sich um einen dünnen Mann mit schütterem, wirrem Haar mit langem, fleckigem Mantel und Kniebundhosen. Die Gestalten zogen ihm eiligst Schuhe und Strümpfe aus und fixierten seine Hand- und Fußgelenke, indem sie sie in die Randvertiefungen legten und mit metallenen Klammern arretierten, die mit den Nieten festgepflockt wurden. Dann holten sie Messer und Schere und begannen, ihm die Kleider aufzuschlitzen. Sie entfernten Mantel, Hose, Hemd und Unterkleidung und stopften alles in einen rechteckigen Eimer an der Wand, der, sobald mit allem gefüllt, aus dem Raum getragen wurde. Dann entfernten sich alle aus dem Raum und ließen den Mann völlig nackt dort liegen.
    Darius sah jetzt, dass der Mann bei Bewusstsein war. Er war hohlwangig und mager, hatte dunkle Schatten unter den Augen. Seine Hände und Füße waren relativ groß und sein Bauch wirkte schlaff und faltig, so als sei er noch vor kurzem relativ dick gewesen. Er wirkte aber entspannt, er hatte die Augen auf und blickte um sich, alles sehr langsam und offenbar gar nicht ängstlich. Er schien vertrauensvoll auf etwas zu warten.
    Darius hatte keine Vorstellung von dem, was hier geschehen sollte. Er fühlte aber ein heftiges Unbehagen. Immerhin hatte er noch nie von Einrichtungen dieser Art, wie er sie nun sah, gehört, und er dachte sich, dass das nicht ohne Grund so war. Andererseits hielt er es durchaus für möglich, dass ihm all dies in seiner ewigen Dumpfheit und Benommenheit einfach entgangen war. Er merkte aber wohl, dass seine Furcht ihm diesen Gedanken eingab, um ihn zu beruhigen. Hier fand etwas statt, was verborgen bleiben sollte, und dafür würde es Gründe geben. Und dass ausgerechnet er diese Szene jetzt beobachtete, war ebenso wenig vorgesehen.
    Die Tür öffnete sich jetzt erneut, und drei weißgekleidete Männer traten ein. Sie alle trugen weißgraue Schürzen und hatten die Ärmel hochgekrempelt. Einer der drei wandte sich zu dem mageren Mann in der Wanne und sagte etwas zu ihm. Der nickte verständig und bewegte kurz den Mund, aber es war nicht zu hören ob oder was er sagte.
    Die anderen beiden hatten erst schweigend dabeigestanden, dann schwärmten sie aufgrund einer kurzen Handbewegung des einen, der offenbar ihr Vorgesetzter war, aus, und kamen mit einer Anzahl jener Instrumente zurück, die auf den Tischen lagerten. Der Oberste der Weißkittel wandte sich nun an sie und schien ihnen

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