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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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erschien. Dies bedrängte Darius umso mehr, als dass er seine Wahrnehmung bestätigt sah. Das dumpfe, stampfende Geräusch, das er den fernen Pumpen zugeordnet hatte, war lauter geworden, kaum merklich, aber unverkennbar. Es war langsam und zeugte von einer schweren Maschine, die große Mengen von Luft oder vielleicht einer anderen Substanz bewegte. Irgendwo direkt unter ihm musste es herkommen.
    Darius sah sich gezwungen, wieder einen Umweg zu nehmen. Behände ließ er sich Vorsprung für Vorsprung hinab, entfernte sich dadurch so von dem industriellen Klang, dass er wieder von völliger Stille umgeben war. Verbissen versuchte er, sich auf einem niedrigeren Niveau wieder der Stelle anzunähern, die seine Aufmerksamkeit erregt hatte. Er musste aber einen großen Bogen unwegsamsten Geländers überwinden, bis er sich endlich wieder in die gewünschte Richtung orientieren konnte.
    Es war schwierig für Darius, denn er war eine solche Anstrengung nicht gewöhnt. Er fühlte bereits Schwindel und zunehmende Mattigkeit, die von seinem ganzen Körper erbarmungslos Besitz ergriff. Auch erahnte er schon wieder jene Übelkeit, die ihn bei seinem letzten Ausflug so zugesetzt hatte. Keuchend ließ er sich nieder, um nach einer kurzen Zeit der Erholung wieder einige Meter weiterzukommen. Immer häufiger wurden die Pausen, die er einlegen musste. Zeitweilig begann er, sich selbst zu verfluchen, in welche Situationen er sich wieder brachte, zumal er sich der erschreckenden Erkenntnis ausgesetzt sah, dass er gar nicht mehr sicher sein konnte, rechtzeitig zurückzukehren. Wenn, dann musste er augenblicklich kehrt machen.
    Verbissen sah er auf die steile Felswand, die ihr Geheimnis nicht preisgeben wollte. Schaudernd dachte er an das glühende Sonnenlicht, das seine weiße Haut schon einmal so schmerzhaft gebrannt hatte.
    Einen einzigen Felsvorsprung würde er noch erklimmen. Tief holte er Luft, wälzte seinen geschundenen Körper herum und kletterte weiter. Endlich konnte er über die Felskuppe hinweg sehen.
    Die Geräusche waren augenblicklich wieder zu hören. Was sich Darius verschwommenem, nach und nach wieder klarer werdendem Blick darbot, war zunächst lediglich Mauerwerk. Die Felsspalte, die in dem Felsen senkrecht nach unten klaffte, war mit Mauersteinen geschlossen worden.
    Mauerwerk, hier, in dieser Höhe? Darius’ Schwäche wurde von erregter Aufmerksamkeit verdrängt. Er schob sich weiter vor und lugte über den Felsen hinunter.
    Die Mauer erstreckte sich etwa 20 Meter nach unten und folgte in ihren seitlichen Begrenzungen dem Verlauf des Gesteins. Unten traf sie auf ein flacheres Stück der Felsformation. Genau dort ragte eine Rohröffnung aus der Mauer von beträchtlichem Durchmesser.
    Darius wusste in diesen Augenblicken nur noch, dass er vorwärts wollte. Jedes Zurückweichen hätte sein ungeklärtes Dasein im gleichen Nebel gelassen wie seit jeher, im gleichen Ausgeliefertsein vor den unbekannten, namenlosen Dingen, die er fürchtete. Waghalsig ließ er sich den steilen Hang hinab, glitt, nur notdürftig gehalten, die Felsen hinunter, bis er mit einem harten Kontakt das untere Plateau erreichte.
    Das Rohr führte in eine unergründliche Schwärze. Deutlich hallend waren die Luftstöße zu vernehmen, die Darius von weit darüber ausgemacht hatte. Das Rohr war so groß, dass ein ausgewachsener Mann wie Darius gebückt darin stehen konnte. Vorsichtig setzte er seinen Fuß hinein. Es war offenbar aus Metall, aber stark oxidiert und mit dicker, rissiger Oberfläche. Der Boden war mit Erde und Sand bedeckt, er fühlte sich weich und feucht an. Behutsam setzte Darius Schritt nach Schritt.
    Darius merkte, dass die Dunkelheit derart undurchdringlich wurde, dass er sich wie blind vorwärtstasten musste. Furchtsam sah er sich um. Ein Zurück gab es jetzt nicht mehr. Durch den kreisrunden Ausgang des Rohres sah er den Sternenhimmel hell und klar, wie ein kalter und unnahbarer Gefährte, an den man sich doch nach langer Zeit gewöhnt hat, und den es dann doch schwerfällt, zu verlassen. Ein ungewohntes Gefühl erfüllte Darius.
    Wie ein Abschied.
    Sein Fuß trat plötzlich tiefer als bisher. Vorsichtig fühlte er mit der Fußspitze vor. Das Rohr krümmte sich offenbar nach unten. Wenn es eine einfache Neigung war, dann drohte keine Gefahr. Wenn es sich aber immer mehr neigte?
    Darius musste sich bemühen, den Mut nicht zu verlieren. Seine Nachtaugen hatten sich ein wenig an die Dunkelheit gewöhnt, aber um Wesentliches zu

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