Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
zweitausend Mann. Die meisten waren Gewürz- und Tuchhändler, Schmiede und Schneider, die nur mit Nadel und Hammer umgehen konnten. Glücklicherweise befanden sich auch etwa einhundert Söldner in der Stadt, die normalerweise von Kaufleuten zum Schutz ihrer Karawanen angeheuert wurden. Die Rettung Philippis lag ihnen in keiner Weise am Herzen – es gab Dutzende anderer Städte in Syrien und Phönizien, wo sie ihrem Gewerbe nachgehen konnten. Prall gefüllte Geldsäcke brachten sie allerdings schnell auf die Seite der Philippianer.
Die Söldner bildeten die Speerspitze der Streitmacht. In ihren Uniformen, die denen der Römer ähnlich waren, wirkten sie ausgesprochen bedrohlich. Sie schlugen vor, nicht erst zu warten, bis die Angreifer bis zu den Hainen vorgedrungen waren, sondern ihnen entgegenzumarschieren und sie an einer günstigen Stelle anzugreifen.
»Im Hule-Tal«, schlug Salome vor. »Ich war früher häufig dort, zusammen mit …« Sie räusperte sich. »Jedenfalls ist die Stelle ideal für einen Überraschungsangriff.«
»Warum?«, wollte der Kommandant der Söldner wissen.
»Ich habe vor einigen Jahren die Schriften des römischen Generals Corbulo studiert«, erwiderte sie wie selbstverständlich und zur Überraschung aller. »Erstens: Wir kämen von oben, das macht uns bedrohlich. Zweitens: Die Wälder im Tal sind so dicht, dass die Zeloten nicht sehen, wie viele wir tatsächlich sind. Das macht uns ebenfalls bedrohlich. Drittens: Der Hule führt zu dieser Jahreszeit kein Wasser, das Flussbett ist von Schlamm bedeckt. Ich weiß, wovon ich rede, ich lag selbst einmal in diesem Dreck. Wenn wir sie dort hineintreiben könnten …«
»Genug«, brummte der Anführer der ungehobelten Söldner. »Das ist eine gute Idee, Weib. Aber du schwatzt zu viel.«
Sie amüsierten sich alle über diese unverblümte Bemerkung.
Dann wurden sie schnell wieder ernst, denn es blieb wenig Zeit, die Ausrüstung zu organisieren und zum Hule-Tal zu marschieren. Menahem und Gilead reihten sich in die Mitte des Trosses ein, Salome und Berenike blieben gemeinsam mit anderen Frauen, die Körbe mit Nahrung trugen, am Ende. Als sie durch die enge Schlucht gingen, flüsterte Salome: »Hier bin ich immer mit Timon entlanggegangen, wenn wir zu unserem Versteck wollten. Zwanzig Jahre ist das her, mir kommt es dagegen vor, als seien es nur …«
»Entschuldige bitte«, sagte Berenike. »Mir ist im Moment überhaupt nicht danach, Geschichten zu hören, in denen du dich mit Timon im Laub gewälzt hast. Menahem könnte im Kampf sterben.«
»Das könnten wir alle.«
»Vielen Dank. Du weißt wirklich, wie man andere tröstet.«
»Meinst du denn, ich mache mir keine Sorgen um Gilead? Er ist noch ein Junge, und das Schwert, das er bei sich hat, ist größer als er selbst. Ich hätte ihm nie erlaubt, mitzukämpfen, wenn nicht so viele Philippianer seines Alters ebenfalls …«
»Salome.«
»Ja?«
»Der Söldner hatte Recht. Du redest tatsächlich zu viel.«
Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen, als sie die Hügel oberhalb des Hule-Tales erreichten. Der Moment hätte nicht günstiger sein können. Wie erhofft, schlängelte sich das Aufgebot der Zeloten am Flussbett entlang. Wie viele es waren, war durch den Blätterwald nicht zu erkennen, aber das spielte jetzt ohnehin keine Rolle mehr.
Salome wollte sich noch von Gilead verabschieden, ihm Glück wünschen, ihn zur Vorsicht mahnen, ihm sagen, wie sehr sie ihn liebe; in dem Gewirr fand sie ihn jedoch nicht mehr. Der Anführer der Söldner gab ein Zeichen – ein Schrei wie der eines brünstigen Hirsches -, und der Heerhaufen stürzte sich mit Gebrüll und erhobenen Schwertern die Hügel hinunter.
Salome und Berenike hielten sich gegenseitig fest. Von ihrem Platz aus konnten sie kaum etwas erkennen. Vögel flatterten auf, Metall klirrte, Schreie stiegen in den Himmel – doch kaum zehn Atemzüge später setzte sich Jubel durch, erst zaghaft, dann unüberhörbar.
Einer der Söldner, blutüberströmt, schleppte sich zu den Frauen auf den Hügel hinauf, keuchte und fiel auf die Knie. »Wir haben …« Er reckte die Arme empor. »Gesiegt.«
Die Frauen lachten und tanzten, doch gleich darauf hatten sie es alle eilig, in den Wald hinunterzulaufen und ihre Männer und Söhne zu suchen.
Nur wenige Tote lagen auf dem Waldboden. Als Salome den Anführer der Söldner erblickte, fragte sie ihn, ob er Gilead gesehen habe. Doch der Mann kam aus dem Lachen nicht wieder heraus. »Wenn
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