Die Schlucht
»Und darin sehe ich ein weiteres Motiv für Ihre Morde. Sie wollten mit Neville Guile ins Geschäft kommen, wollten ihm das Moor mitsamt dem Ölfeld verkaufen. Ihre Familie, die sehr an diesem Stück Land hing, hätte das wohl nie getan. Auch aus diesem Grund mussten Ihre Schwestern sterben, und deshalb haben Sie auch den Sattelgurt am Pferd Ihres Vaters manipuliert, damit dieser sich bei einem Reitunfall den Hals bricht. Ich vermute, dass Sie so lange mit dem Morden weitergemacht hätten, bis niemand von Ihrer Familie übriggeblieben wäre und Sie die Millionen für das Ölfeld ganz für sich allein gehabt hätten.«
»Wissen Sie was, Mr Tweed?«, fragte Lance mit einem eiskalten Lächeln, das Paula das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Sie und Ihre famose Miss Grey werden mir langsam ein wenig zu lästig. Wenn ich Sie noch weiter hier herumschnüffeln lasse, finden Sie am Ende noch wirkliche Beweise für Ihre Theorie. Und das - dafür werden Sie sicher Verständnis haben - kann ich leider nicht zulassen.«
Er griff in die Innentasche seines Jacketts wie vorhin, als er das silberne Zigarettenetui herausgeholt hatte, aber diesmal zog er eine schwarz glänzende Walther-Pistole hervor, die er direkt auf Paulas Kopf richtete.
»Eine falsche Bewegung, und Sie können Miss Greys Gehirn von der Wand dort hinten abkratzen«, zischte er mit einer Stimme, der mit einem Schlag alle Liebenswürdigkeit abhandengekommen war. »Sie werden mir nicht im letzten Augenblick alles vermasseln. Dazu habe ich für dieses Ölfeld schon viel zu viel auf mich genommen, und Sie können mir glauben: Auf zwei Leichen mehr oder weniger kommt es mir jetzt auch nicht mehr an.«
»Was glauben Sie, was los ist, wenn man zwei tote Ermittlungsbeamte bei Ihnen findet? Scotland Yard wird Sie auseinandernehmen …«
»Aber es wird Sie niemand finden«, erwiderte Lance mit einem fast stolzen Unterton. »Ich habe alles bestens vorbereitet. Wenn ich Sie erledigt habe, fahre ich Sie mit einem Schubkarren ins Moor hinaus, und dann verschwinden Sie auf Nimmerwiedersehen in einem der alten Stollen, in denen früher mal Kupfer abgebaut wurde.«
Lance entsicherte die Pistole. »Und jetzt sagen Sie Adieu zu Miss Grey, Tweed. Aber seien Sie versichert, dass der Schmerz über ihr Dahinscheiden nicht allzu lange anhalten wird. Gleich nach ihr sind nämlich Sie dran …«
In diesem Augenblick zersplitterte eines der großen Fenster der Bibliothek in tausend Scherben, und in Lance' Stirn erschien auf einmal ein kreisrundes Loch. Er ließ die Pistole fallen, taumelte noch ein paar Schritte nach vorn und brach dann zusammen, wobei er den Schachtisch samt Brett und Figuren mit sich riss.
Dann schob sich eine Hand durch das zerschossene Fenster und drehte den Griff herum, und eine Sekunde später stand Harry Butler, einen schweren Revolver in der Hand, vor ihnen.
»Haben Sie Lance erschossen?«, fragte Paula.
»Nein, das war Marler. Er hat sich auf dem Hügel hinter dem Haus postiert und Lance die ganze Zeit über im Visier gehabt. Ich stand bloß draußen in Bereitschaft für den Fall, dass etwas schiefgeht.«
»Doppelt hält besser«, sagte Tweed.
»Dann wussten Sie, dass die beiden auf uns aufpassten?«, fragte Paula entrüstet. »Wieso haben Sie mir das nicht gesagt?«
»Dann hätten Sie sich vielleicht nicht mehr natürlich verhalten.«
In der Ferne konnten sie jetzt das leise Heulen von Polizeisirenen hören.
»Das sind Buchanans Männer, die Marler telefonisch verständigt hat«, sagte Tweed. »Sie werden sich um alles kümmern. Und jetzt lassen Sie uns ins Hotel zurückfahren. Ich möchte morgen beizeiten nach London aufbrechen.«
»Bleiben wir denn nicht noch hier?«, fragte Paula.
»Nein, den Rest kann Buchanan jetzt allein. Wir haben den Mörder überführt, und damit ist dieser Fall für mich erledigt. Alles Weitere ist Routinearbeit.«
Epilog
Am späten Nachmittag des folgenden Tages steuerte Tweed den Audi nach einer wunderschönen Fahrt bei herrlichem Sonnenschein auf die Park Crescent zu.
»Mal abgesehen von den grausigen Ereignissen, war es wirklich schön draußen auf dem Land«, sagte Paula zu Tweed, »die Landschaft, die frische Luft, die wenigen Menschen. Und trotzdem bin ich richtig froh, dass wir jetzt wieder in London sind.«
»Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht«, erwiderte Tweed. »Zu Hause ist nun mal zu Hause, auch wenn es dort noch so hektisch und laut zugeht.«
»Zwei Fragen gehen mir übrigens immer noch im Kopf
Weitere Kostenlose Bücher