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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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das allein dem Zweck diente, dass Fremde darin unterkamen. Inga und Almut waren überwältigt. Mit großen Augen folgten sie der Reihe von aus Holz, Lehm und Stroh bestehenden Häusern, die sich auf der linken Seite des Flusses als eine schier endlose Schlange dahinzog. Bis hin – und das konnte Inga nur schemenhaft am Horizont erkennen – zu einem Gebiet, das von einer großen, steinernen Mauer umgeben war.
    Dort leben die Mönche, dachte sie bei sich.
    Inga und Almut jedoch trieb es nicht zum Kloster, sondern ans Ufer der Weser. Und hier lagen tatsächlich drei Frachtkähne. Es herrschte großer Trubel an dieser kleinen Anlegestelle, denn nicht nur die Schiffer aus dem Norden waren gekommen.
Von Westen waren weitere Händler mit ihren Lasttieren und Gespannen angereist – über den Hellweg, die große Handelsstraße, die schon seit vielen Generationen fränkische und andere fremde Kaufleute ins Land der Sachsen führte. Und an dieser Stelle, im Flecken Huxori, lag die Furt, die es den Händlern ermöglichte, die Weser zu überqueren und auch Tauschgeschäfte mit den vom Meer angereisten Friesen oder gar mit Wikingern zu machen.
    Wie sollte sich Inga jetzt nur in diesem ganzen Durcheinander von Menschen zurechtfinden und einen geeigneten Abnehmer für ihre Tuche auftreiben? Mühsam zogen sie den Handkarren zwischen Säcken, Kisten und Fässern hindurch, die überall am Ufer gestapelt waren.
    »Vorsicht, das ist der Wein für den Prior, ihr dummen Weiber«, schrie ein dicker Mann und stieß Inga und Almut mit seinem enormen Unterarm zur Seite, weil sie zu nahe an seine wertvollen Fässer geraten waren.
    Zwei Männer mit langen Bärten hingegen machten ihnen höflich Platz. Sehr fremdländisch sahen sie aus und verneigten sich sogar ein wenig, als die beiden an ihnen vorübergingen.
    »Gewürze hätten wir für die Damen«, sagte einer von ihnen. Er sprach sehr gebrochen, aber dennoch deutlich.
    »Aus dem Fernen Osten«, sagte der andere, jünger als der erste, aber mit einem ebenso langen Bart.
    Inga schüttelte nur den Kopf und ging weiter, sie suchte den ihr vertrauten friesischen Händler. In der Nähe eines der Schiffe fand sie ihn. Er saß auf einem Fass und nagte, völlig unbekümmert von dem ihn umgebenden Geschrei, Gezerre und Geschiebe, an einem Hähnchenschenkel. »Das ist er. Der hat mir schon einmal die gesamte Ware abgenommen«, flüsterte Inga Almut zu. Dann zog sie den Karren direkt vor die Füße des Friesen. Der blickte kurz auf und sagte nur: »Erst wenn ich fertig bin.«

    Inga wartete. Stumm stand sie da, blickte auf den Fluss, schaute zu, wie eines der anderen Schiffe entladen wurde und man Säcke und Kisten auf dem Karren eines fränkischen Händlers verstaute. Sie blickte auch manchmal zu Almut und zog dann einfach nur die Schultern hoch. Dann beobachtete sie den unfreundlichen Weinhändler, wie er schwitzend und schimpfend seine Fässer auf einen Ochsenkarren lud, der sich schließlich in Richtung des Klosters aufmachte. Danach schaute sie wieder zum Friesen, der noch immer genüsslich an dem mittlerweile kahlen Knochen lutschte.
    »So, was wollt ihr?«, fragte er, sich erhebend und die fettigen Finger in seinem teuren, mit Fell besetzten Umhang abwischend.
    »Ich habe wieder Woll- und Leinentuche dabei. Vielleicht erinnerst du dich, vor wenigen Jahren hast du mir bereits Ware abgenommen.« Inga blickte ihn fragend an. Es war ein mittelgroßer, wohlgenährter Mann von gewiss schon vierzig Jahren. Sein mit grauen Strähnen durchwirktes blondes Haar trug er schulterlang, und in seinem dichten Bart hingen noch immer Reste des Hähnchenfleisches. Seine Kleidung war wertvoll, aus edlen Stoffen, hervorragend verarbeitet, aber sie passte ganz und gar nicht zum Rest seines Erscheinungsbildes, denn dieser Mann war äußerst ungepflegt und ungeschlacht.
    »Kann ich mich nicht erinnern. Aber Tuche nehme ich mitunter. Wenn sie gut und günstig sind. Zeig her, was du hast.« Daraufhin lachte er Inga ins Gesicht. Es war ein freundliches Lachen, und trotz seines Alters und ganz entgegen seinem sonstigen Zustand hatte er ausgesprochen gute Zähne.
    Inga lüftete den Leinensack, der über ihren Tuchen lag, und sogleich langte er mit seinen schmutzigen Händen in den Wagen hinein und entfaltete eine der Wolltuchbahnen.
    »Wie viel hast du davon?«

    »Zehn Bahnen Wolltuch und acht Bahnen Leinentuch. Teilweise eingefärbt, mit Mustern in verschiedenen Farben.«
    Er brummte nur und schaute sich noch fünf

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