Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
Vom Netzwerk:
Tag fand sie ihn tot und mit Schaum vor dem Maul nicht weit von ihrem Hause direkt am Wegesrand liegend.
     
    In den folgenden Tagen wurde Ingas böse Ahnung zur Gewissheit, denn auf der Suche nach Kräutern stieß sie im Wald gleich auf zwei tote Füchse, ebenfalls mit schäumender Schnauze.
    Die Tollwut war ausgebrochen.
    Schon lange hatte sie diese Gegend nicht mehr heimgesucht. Zuletzt in Ingas Kindheit, als alle Männer auszogen, um sämtliche Wölfe und Füchse in den Wäldern zu jagen. Damals waren nur wenige Hunde verendet, nachdem sie jedoch zahlreiche Schafe, Ziegen und Rinder gebissen hatten, welche ihrerseits notgeschlachtet werden mussten. Menschen hatten zum Glück keinen Schaden genommen. Dennoch wusste man um die Gefahr, die auch für sie bestand.
    Selbst wenn sich die Krankheit erst Wochen später zeigte, war jedem deutlich, dass die Wasserscheu, wie man sie nannte, von dem Biss eines tollwütigen Tieres ausgelöst wurde. Die Betroffenen litten unter enormem Durst, wollten aber niemals trinken. Nein, sie schrien, kratzten und bissen, wenn man ihnen auch nur einen Becher Wasser reichte. Allein der Anblick von Wasser genügte, um sie wahnsinnig vor Angst zu machen. Böse Geister hatten sie befallen, so sagte man, und am besten trieb man sie aus, indem man die Wasserscheuen einfach in einen
See warf. Tauchten sie wieder auf, wurden sie erneut nach unten gedrückt, so lange, bis sie fast ertranken und man sicher war, dass sie tatsächlich und wider ihren Willen ihren schrecklichen Durst gestillt hatten.
    Ingas Großmutter hatte diese grausigen Geschichten erzählt, denn die Alten konnten sich noch gut an furchtbare Ausbrüche der Tollwut erinnern, in denen vor allem die von ihr befallenen Wölfe als menschenmordende Bestien aufgetreten waren.
     
    Inga beeilte sich, aus dem Wald in ihr Heim zurückzukehren und alles zu verriegeln. Stimmten die Geschichten ihrer Großmutter, so würden bald die Wölfe, all ihre natürliche Scheu verlierend, selbst am Tage aus den Wäldern kommen.
    Und schon in der kommenden Nacht geschah es, dass Inga ein verdächtig nahes Heulen vernahm. Das Blut gefror ihr in den Adern. Noch hatte sie mit niemandem über ihre Entdeckung gesprochen. Wussten die Menschen von der drohenden Gefahr? Die krumme Gunda war seit Tagen nicht mehr aufgetaucht, und auch Melchior schien sich wieder einmal für längere Zeit ins Kloster begeben zu haben. Inga durchstand die Nacht hellwach und in großer Sorge. Am Morgen blickte sie durchs Windauge, Ansgar erwartend, der kurz nach Sonnenaufgang den Weg entlangkommen musste. Aber an diesem Tag kam er nicht.
    Am Mittag stand jedoch die krumme Gunda vor der Tür.
    »Lass mich herein, Inga. Schnell. Mach die Türe auf«, schrie sie in panischer Angst. Bisher hatte sie es tunlichst vermieden, das »Schreckensnest«, wie sie es nannte, zu betreten. Doch heute hatte sie es sich offenbar anders überlegt.
    »Die Wölfe sind in die Siedlung gekommen«, rief sie. »Welch ein Fluch. Gebissen haben sie alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Oh nein, oh nein, die arme Heide, Weib des Liudolf, hat
einen Biss im Bein! Noch lebt sie, aber die Wasserscheu wird kommen und sie dahinraffen.«
    »Wie konntest du es dann wagen, hierher zu laufen?«, fragte Inga entsetzt.
    »Sie kommen doch nur des Nachts. Und ich wollte dich bitten, ob du für mich ein Heilmittel hast. Eine Paste, die mich fest machen kann gegen den Biss eines tollwütigen Untieres.«
    »Um ehrlich zu sein, Gunda, kenne ich gar kein Heilmittel gegen die Tollwut. Und außerdem scheuen hundswütige Tiere die Sonne nicht. Es war dumm von dir, einen solch weiten Weg zu machen.«
    »Oh nein, wo soll uns das noch hinführen? Hätten wir nur nicht zugelassen, dass sie diese Kirche errichten. Der Tag, an dem der Fenriswolf den Mond verschlingen wird, ist nicht mehr fern. Das Ende des goldenen Zeitalters der Götter ist gekommen. Die Nornen haben unser aller Lebensfaden abgerissen. Wir sind verloren.«
    »Vielleicht haben die Mönche eine Lösung. Sie besitzen sehr kluge Schriften. Darin steht alles über Kräuterkunde geschrieben, viel mehr, als selbst meine Großmutter wusste. Es würde mich wundern, wenn nicht auch die Tollwut darin beschrieben wird.«
    »Aber Inga, wie willst du nur durch den Wald bis zur Kapelle gelangen, wenn sie nun auch bei Tage herumstreunern, die Werwölfe?«
    »Du begleitest mich. Jede von uns nimmt einen langen, dicken Stock. Außerdem habe ich ein Messer dabei.«
    »Nein, nein, das

Weitere Kostenlose Bücher