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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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schon fast verbrannt. Dennoch schmeckte sie köstlich. Einigermaßen gesättigt begab sich Inga auf ihrem einfachen Lager zur Ruhe. Die Angst vor dem unheimlichen Heim begann zu verfliegen. Fürchten musste Inga sich nur vor den unvorhersehbaren Gefahren, die von außen drohten und die Gunda nun zu schüren in die enge, ihr bekannte Welt auszog.
     
    Wie erwartet, hatte sich noch am gleichen Tage in allen umliegenden Siedlungen und Gehöften herumgesprochen, dass die junge Witwe vom Hilgerhof verstoßen und allein in die Geisterschmiede eingezogen war, um hier fortan zu leben. Und obwohl sich jeder für diese Nachricht brennend interessierte, erhielt Inga dennoch in den folgenden Tagen kaum Besuch.
    Zweimal kamen Mägde zu ihr, zunächst ein junges Ding vom Meinradschen Hof. Sie brachte zwei lebendige Hühner und ein winziges Säckchen Getreide. Ein Geschenk von der Mutter, der Vater solle jedoch nichts davon wissen. Auf die Fragen Ingas, wie es auf dem Hofe der Eltern bestellt sei, antwortete das Mädchen nur einsilbig:
    »Die Frau weint viel, und der Herr spricht kein Wort.«

    Dann eilte sie schnellen Schrittes davon, das Haus des Hatho so bald wie möglich hinter sich lassend. Inga konnte ihr nur noch hinterherrufen: »Richte der Mutter meinen Dank aus!«
    Ganz ähnlich verlief der Besuch der Magd vom Hilgerhof am Tag darauf. Sie betrat nicht einmal den Hof der Schmiede, sondern blieb in einiger Entfernung schüchtern mit einer Ziege am Seil stehen, wohl hoffend, dass Inga sie irgendwann erblickte und zu sich rief.
    »Vala, warum kommst du nicht näher?«
    »Das wage ich nicht, Frau Inga. Die Frau Ada schickt mich. Die Ziege soll ich dir bringen und ein Säckchen Gerste.«
    Inga schritt zu ihr.
    »Was sagt der Herr dazu, dass sie einfach eine der Ziegen verschenkt?«
    »Der Herr sagt im Moment gar nichts. Aber wenn er wieder der Alte ist, dann darf er es nicht wissen. Das hat mir Frau Ada strengstens aufgetragen. Jeder Witwe stehe ihre Morgengabe zu, sagt sie.«
    »Nun, bei mir gab es gar keine Morgengabe. Aber dennoch ist es eine freundliche Geste von Frau Ada. Sprich ihr meinen Dank aus.«
    »Das werde ich tun. Außerdem sagt sie, dass sie nichts dagegen hat, wenn du im Hause ihrer Väter lebst, Frau Inga.«
    »Auch das freut mich. Wie wird es weitergehen auf dem Hofe, Vala, was meinst du?«
    »Nun«, sagte die junge Magd traurig und blickte zu Boden. »Viel muss der Herr an die Meinradschen zahlen. Er will es aber erst tun, wenn sie ihm seinen Bruder bringen, tot oder lebendig. Wir wissen ja noch immer nicht, wo der Herr Gernot verblieben ist.«
    »Aber sie wissen es auch nicht. Er wollte zu den Friesen, das hat er mir gesagt. Dass sein Pferd tot ist, heißt doch nicht, dass
es ihm ebenso ergangen ist«, beschwichtigte Inga, obwohl sie es besser wusste.
    »Davon will der Herr Ansgar nichts hören. Tot sei sein Bruder, sagt er. Aber sonst spricht er nicht viel. Die Frau Ada hat den Hof übernommen. Sie kümmert sich um alle Arbeiten. Der Herr sitzt nur herum. Ein finsteres Gesicht hat er. Und des Morgens geht er schon in aller Frühe davon. Erst nach dem Morgenmahl kehrt er zurück, will nichts essen, legt sich auf sein Lager und starrt die Decke an.«
    Inga nickte. Sie hatte ihn am heutigen Morgen gesehen, wie er leise den Weg vom heiligen Berg heruntergestapft kam. Er war in der Kirche gewesen, um zu büßen, das wusste sie. Sie hatte nur einen kurzen Blick aus dem Windauge auf ihn geworfen. Er jedoch hatte nicht hergeschaut, wollte es gar nicht, und auch Inga zog sich bald von dem kleinen Fenster zurück. Er tat ihr leid, aber dennoch war sie froh, nichts mehr mit ihm zu tun zu haben.
    Nachdem sich Vala verabschiedet hatte, verstrichen Tage und Nächte, in denen Inga keine Menschenseele zu Gesicht bekam. Jeden Morgen schlich Ansgar an ihrer neuen Unterkunft vorüber, zunächst bergan und wenige Stunden später wieder bergab. Doch das bemerkte sie mitunter gar nicht, weil sie meistens noch selig schlief. Nahrung hatte sie durch die Milch der Ziege, die Eier der Hühner und die beiden Getreidesäckchen vorerst genug. Außerdem war es ihr gelungen, zwei wilde Kaninchen zu fangen, von denen sie hoffte, dass sie sich zahlreich vermehrten und ihr hin und wieder einen guten Braten lieferten.
    Zur Kirche ging sie nicht, auch wenn der Mönch Agius das von ihr verlangt hatte. Sie wollte es nicht, wagte es nicht, mit den Menschen, die sich ebenfalls dort einfinden könnten, zusammenzutreffen. Sie hatte sich daran

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