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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Gedöst. Eingenickt. Cindy saß am Rand ihres Ruhebetts und schaute sie an. Oder hatte sie Filmrisse. Cindy war im Bademantel. Im Hotelbademantel. Die dunkelgrünen Hirsche auf der Brust rechts und links. Sie verstand das nicht. Cindy war noch nie hier gewesen. Sie hatte Cindy hier noch nie gesehen. Cindy lächelte. Cindy lächelte sie an. Sie richtete sich auf. Aber Cindy schob sie wieder ins halbaufrechte Liegen zurück und hielt ihr eine Flasche Vöslauer hin. Sie bräuchte doch sicherlich etwas zu trinken, sagte Cindy und fügte dann »Amy« hinzu. Nach einer langen Pause sagte Cindy diesen Namen, und sie. Sie wusste plötzlich, dass sie so hieß, als habe sie sich nicht erinnern können, und wieder diese Weinerlichkeit. Eigentlich eine Weichheit. Sie nahm die Flasche und war dankbar. Sie war zittrig und musste die Flasche mit beiden Händen halten. Die Dankbarkeit füllte sie warm aus, und sie hätte sich in Cindys Arme fallen lassen können. Sie fühlte sich Cindy nahe und vertraut und hatte ein Bedürfnis, sich an Cindy zu drängen. Hinter Cindy zog Gregory seine Bahnen. Sie lächelte. Gregory nähme es wirklich ernst. Mit dem Schwimmen, sagte sie, und sie lachten beide. Ein einverständiges Lachen war das, und sie wollte, dass Cindy nicht aufstünde. Die richtete sich aber auf und warf sich auf das Ruhebett daneben. Cindy musste aber wieder aufstehen. Sie versuchte, den Verschluss der Wasserflasche aufzudrehen, und es gelang nicht. Cindy nahm ihr die Flasche aus der Hand und drehte sie auf. Mit einem Griff. Dann hielt sie ihr die Flasche wieder hin. Reichte sie ihr. Drückte sie ihr in die Hand, und sie trank.
    Sie trank und hörte erst auf damit, als sie schon sehr dringend wieder Luft holen musste. Sie setzte die Flasche ab. Schnappte nach Luft. Trank wieder und fühlte die Augen übergehen. Ihre Augen wurden nass. Die Feuchtigkeit quoll zwischen den Lidern hervor, und sie musste die Augen abwischen. Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und den Mund und lehnte sich auf das Ruhebett zurück. Es war alles gut. Sie hielt die Flasche hoch. Sie hatte sie leergetrunken. Cindy griff vom Bett daneben herüber und nahm die Flasche. Sie hielt die Flasche gegen das Licht und lachte leise. Das wäre ja schon ein Durst gewesen. Ob Amy noch Wasser trinken wolle. Und sie nickte. Und lachte. Und Cindy ging weg. Sie schaute hinaus. Der Raum spiegelte sich auf der Panoramascheibe. Sie konnte Cindy sehen. Cindy war ein heller Schatten, der aus der Poolhalle hinausging. Gregorys Spiegelbild schwamm auf der Scheibe hinter Cindy her.
    In ihrem Bauch sammelte sich Unruhe. Die Unruhe war zum Platzen dicht, und sie musste sich aufsetzen. Sie schaute Cindy nach. Gregory schwamm von rechts nach links. Sie zwang sich, sich wieder zurückzulegen. Zurückzulehnen. Sie zwang sich zu Ruhe. Sie sagte sich das vor. »Ruhig. Sei ruhig.« flüsterte sie sich selbst zu. Das war anders als sonst. Das war total anders als sonst. Hatte sie etwas anderes getrunken. Dann. In der Zeit, von der sie nichts wusste. In der Zeit. Diese Zeit. Im Kopf nichts. Nichts von dieser Zeit. Diesem Zeitraum. Nicht einmal eine leere Stelle. Sie konnte sich an das Trinken erinnern. Im Auto. Der Vogel. Ein riesengroßer Vogel war da gewesen. Auf der Fahrt zum compound. Das weitgespannte Tal. Der Schnee. Das Sitzungszimmer. Grotowski. Cindy. Cindys Gesicht. Gregory hinter ihr. Sie konnte Gregory hinter sich stehen fühlen. Und dann nichts. Aber sie musste funktioniert haben. Alles war in ihrem Zimmer. Das Auto draußen auf dem Parkplatz. Sie hatte hinausgeschaut. Gleich am Anfang des überdachten Parkplatzes draußen. Gerade eingeparkt.
    Paranoia. Ging das los. War das möglich. Half ihr da die Erbschaft ihrer Mutter. Half es, dass ihre Mutter ein Junkie gewesen war und genadelt hatte. Während der Schwangerschaft. Hatte ihre Mutter ihr einen Schatz an Paranoia zurückgelassen, bevor sie wieder nach Amsterdam davongefahren war und nachdem sie sie dem Staat überschrieben hatte. Ihre Urgroßmutter hatte es auch so gesagt. »Das Staatsmündel.« hatte die gesagt. Oder war das alles in der Familienkette aufgehoben. Hatte ihre Großmutter das über die Betsimammi so behauptet, weil ihre Großmutter ihre Mutter, die Urgroßmama, hasste und ihre Tochter nur so in Schutz nehmen konnte. Sie hatte nie mit der gesprochen. Die hatte in Los Angeles gelebt und war dann gestorben. Gleich nachdem sie auf die Welt gekommen war. Sie war dann ihrer Großmutter weggenommen

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