Die Schmerzmacherin.
Die Flasche lag zwischen ihren Beinen. Ihre Arme hingen von den Schultern. Wie ein Affe, dachte sie. Sie saß da wie ein Affe. Sie blieb so sitzen. Cindy redete auf sie ein. Sie solle doch trinken. Sie bräuchte das. Das wäre dringend notwendig. Sie sei doch vollkommen dehydriert. Das könne auch ein gefährlicher Zustand sein. Sie hörte mit. Sie hörte Cindy zu. Dann rief Cindy Gregory zu, er solle doch kommen. Sie blieb über sich gebeugt sitzen und schaute die Flasche Vöslauer Mineralwasser an. Es war »leicht« aufgedruckt auf die Flasche. Es stand da »Vöslauer Mineralwasser«, und darunter war »leicht« geschrieben. Sie starrte auf das »leicht« und bewegte sich nicht.
Gregory kam angetappt. Sie konnte das Chlor an ihm riechen. Was los sei, fragte er. Knapp. Sachlich. Wie er mit Cindy sprach. Cindy war ungeduldig. Cindy wippte mit dem Knie und stieß das Ruhebett an. Tapp. Tapp. Tapp. Amy trinke nichts. Ob er sich keine Sorgen mache. Gregory stand am Bettende. Cindy solle sich nicht aufführen. Gregory sprach Englisch. Cindy sprach Englisch. Alle konnten plötzlich Englisch. Oder hatten alle schon immer Englisch gesprochen. Die Verwunderung darüber ließ sie schwanken. Ob die Dosis groß genug gewesen war, fragte Gregory. Cindy stieß gegen das Bett. Die Dosis hätte für einen Elefanten gereicht. Die Dosis. Die Dosis. Also. Cindy solle die Situation monitoren. Er wolle jetzt ins Casino, sagte Gregory. Cindy sagte, dass sie nicht dafür da wäre und dass sie auch Pläne habe. Aber sie mache sich Sorgen. Ja, dann, sagte Gregory. Dann solle man die kleine Trinkerin da sich selbst überlassen. »Leave her to herself and to her own fate.« sagte er. Das wäre doch eine gute Idee, sagte Cindy und nahm die Flasche wieder an sich. Sie griff ihr unter den Kopf und die langen Haare und holte die Flasche von ihren Oberschenkeln. »No way we overdosed.« sagte Gregory. »You can go wrong with the weight.« Cindy war am Bett stehen geblieben. Dann folgte sie Gregory.
»Overdosed.« dachte sie. »Overdosed?«
Ob sie auch Hunger hätte. Gino zog die weiße Jeans hinauf. Er hatte keine Unterwäsche an und stopfte sich vorsichtig hinter den Zippverschluss. Sie schaute ihm zu. Warum er diese Hose heute schon anziehe, fragte sie ihn. Erwarte er eines seiner Mädels früher. Ein Extratreffen. Gino drehte sich vom Spiegel um. »Nein.« sagte er. Nein. Es wäre ein ganz normaler Freitagabend, und er gähnte. Er ließ sich zu ihr aufs Bett fallen. Was sie denn machen wolle.
»Freitag.« sagte sie. Das könne nicht stimmen. »Doch.« sagte er und dass sie nicht so unschuldig tun solle. Sie solle ihm noch erzählen, was sie getrieben habe. Gestern Abend. Da wäre sie ja nicht aufgetaucht. Was hätte es denn Spannendes gegeben. Da. In ihrem Betrieb. Gino sagte das Wort »Betrieb« so, wie sie »Mädels« sagte.
Sie lag auf Ginos Doppelbett. Ginos Zimmer unter dem Dach. Das Bett unter die Dachschräge geschoben. Sie rollte ans Ende und setzte sich auf. Sie musste sich wieder hinlegen. Es war doch Donnerstag. Es musste Donnerstag sein. Gino war ein airhead. Dem konnte das passieren. Der konnte einen Tag verlieren. Oder verwechseln. Am besten sie ging an die Rezeption und schaute dort nach. Da wussten sie es genau. Gino sollte nur seine engen weißen Hosen anziehen.
»Du musst allein essen, mein Darling.« Gino frisierte seine Haare zu einem Schöpfchen über der Stirn hoch. Er zog mit dem Stylingwachs die Haare in die Höhe. »Die Angestellten müssen wieder hinter die Kulissen.« rief er aus dem Badezimmer und kam an die Tür. Sie lag da und schaute die Wandverkleidung an. Ginos Zimmer war mit Holz ausgekleidet. Wie in einer Sauna.
Was denn los sei. Mit ihr. Gino stand am Bett und zog das Wachs durch seine Haare. Er zupfte die Haare zu kleinen Büscheln wie Strahlen zusammen. Sie schaute ihm zu. Im Liegen. Wenn sie das wüsste, sagte sie. Wenn sie das nur wüsste. Gino setzte sich auf das Bett. Er saß mit dem Rücken zu ihr und begann die Haare am Hinterkopf zu stylen.
»Ich möchte mich ja nicht einmischen.«, sagte er. »Und du kannst natürlich machen, was du willst. Eh klar. Aber bist du sicher, dass da nicht etwas Komisches läuft. Ich meine. Ich habe ja auch nicht. Hier. Du weißt ja. Ich meine. Ich. Aber das ist reell. Verstehst du. Das ist alles klar. Die Gritschi kommt, und da ist alles klar. Und ich mag die Gritschi. Und die Petra. Und die Gitti. Das ist schon so. Aber bei dir. Da geht es um etwas anderes.
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