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Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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worden. Von Amts wegen. Und das war auch richtig gewesen. Das Mammerl war schon für ihre Mutter nichts gewesen. Ihre Mutter schon keinen Vater gehabt. Das Mammerl wusste den Vater von ihrer Mutter. Der war ein ehemaliger Liebhaber ihrer Urgroßmutter gewesen. Schien es. Ihre Mutter. Die arme Betsimammi. Die konnte nicht sagen, wer das gewesen war. Männer im Alter von Gregory. Die konnten alle ihre Väter sein. Das würde das Interesse von Gregory erklären. Der war ja wiederum sicherlich ein Liebhaber ihrer Großtante. Oder so etwas. Und mit dieser Unruhe und dem Gefühl, dass sie etwas nicht wusste. Da kam dieser Schatz zum Vorschein. Die Verlassenschaft ihrer Mutter. Sie hatten nun schon lange nichts gehört von ihr. Die Tante Schottola wusste etwas, aber die sagte es ihr nicht, und der Onkel Schottola stellte sich ans Blumenfenster und schaute starr hinaus und sagte dann so über die Schulter, dass sie es nicht zu wissen brauche. Es wäre nichts Wichtiges. Aber es wäre auch nichts Schlimmes, und man solle nicht zu früh hoffen. Sie machte sich dann gleich Bilder von ihrer Mutter, die wieder schön und gesund wie Barbie als Königin von Oceana zur Tür hereinkam und ihr Kleider mitbrachte, damit sie in Wien in all die tollen Lokale gehen konnten und bewundert werden. Aber da war sie klein gewesen. Wie sie sich das gewünscht hatte. Die Belastungen. In jedem psychologischen Gutachten vom Jugendamt stand das ganz oben. Dass ihre Mutter drogensüchtig gewesen war. Während der Schwangerschaft. Sie musste sich nicht wundern. Sie musste Ruhe bewahren. Es schoss ihr durch den Kopf, dass sie dazu Ruhe einmal haben musste. Um sie zu bewahren. Und was sie innen hatte. Das wusste sie nicht. Sie wusste nicht, was das war. Diese Unruhe. Vielleicht war das ihre Ruhe. Sie hatte das ja oft. Vielleicht hatte sie es falsch verstanden, und das war Ruhe und das, was sie sich als Ruhe vorstellte. Das war die Unruhe.
    Sie versuchte, dieses zusammengeballte Toben tief im Bauch sich auflösen zu lassen. Aber es wurde nicht still. Im Liegen und sich in diese Tiefe in sich denkend. Die Unruhe zerstob in den ganzen Körper. Bis in die Fingerspitzen, und sie hätte schreien können über das Klingeln in den Händen, und im Bauch die Ballung nicht weniger.
    Cindy kam zurück. Sie hatte sich aufsetzen müssen und sah Cindy zu, wie sie zu den Ruhebetten um den pool ging. Cindy hatte noch eine Flasche Wasser in der Hand und lächelte ihr entgegen. Sie lächelte zurück. Wieder so weich vor Dankbarkeit. Cindy war eine wunderbar freundliche Person. Sie griff nach der Flasche. Hielt ihre Arme ausgestreckt Cindy entgegen. Cindy blieb stehen. Sah auf sie hinunter. Streng. Das Lächeln weg. Sie musste die Arme sinken lassen und sah zu, wie Cindy wartete, bis die Arme auf ihren Oberschenkeln lagen und nichts mehr erwarteten. Sie selber sah ihren Armen zu. Den Händen. Wie sie sich noch kurz zu einer Faust ballten und dann weich wurden. Aufglitten. Ihr Kopf sank nach vorne und baumelte über den Händen. Aus dem Bauch stieg ein Elend auf. Ein noch nie gekanntes Elend. Sie spürte sich sitzen mit dem hängenden Kopf und die Hände kraftlos im Schoß. Und wie sie nicht einmal schluchzen konnte und sich ihr etwas abringen wollte. Dass sie es nicht wert war. Dass sie nichts wert war. Dass sie nichts. Dass es. Dass es sie nicht. Nicht geben sollte und dass es. Dass es.
    Sie spürte die Flasche in den Händen. Cindy war ganz tief über sie gebeugt. Sie flüsterte ihr etwas zu. Cindy sagte etwas. Sie konnte es nicht verstehen. Aber sie wusste, sie durfte diese Flasche nicht nehmen. Unter keinen Umständen. Sie schaute auf. Sie schaute durch ihre langen Haare durch zum pool. Gregory schwamm. Er zog sich mit seinen Armbewegungen durch das Wasser. Sie war mit Cindy allein. Sie wollte dieses Wasser trinken. Sie wollte von Cindy versorgt werden. Bemuttert. Sie wollte Cindy ihr zulächeln haben. Sie wollte Cindy über sie sprechen hören. Cindys Urteil hören. Cindy sollte sagen, dass sie. Dass sie, die Amy, eine wunderbare Person sei. Und dass es ein Gewinn war, Amy zu kennen. Amy als Kollegin. Cindy sollte zu Gregory gehen und ihn anschreien, dass er Amy gefälligst freundlich behandeln sollte. Und achtungsvoll. Aber sie durfte dieses Wasser nicht trinken. Sie durfte die Flasche nicht einmal berühren. Sie blieb so hängend sitzen. Sie bewegte sich nicht. Cindy rüttelte sie an den Schultern. Sie hätte sich gegen Cindy lehnen wollen. Cindy sie umarmen haben.

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