Die-Schnaeppchenjaegerin
viel Geld übrig hätte, jetzt, wo er die Hypothek aufgenommen hat und alles... Aber er findet deine Artikel richtig gut. Er findet -«
»Wie schön!«, unterbreche ich sie. »Jetzt muss ich aber wirklich weiter. War nett, euch zu sehen. Und Grüße an Tom.«
Ich stürze Hals über Kopf ins Haus und ramme mir dabei das Knie am Türrahmen. Ich habe ein bisschen ein schlechtes Gewissen und wünschte, ich hätte mich ordentlich verabschiedet. Aber mal im Ernst! Noch ein Wort über den blöden Tom und seine blöde Küche, und ich drehe durch.
Als ich mich vor den Fernseher setze, um die Ziehung der Lottozahlen zu sehen, habe ich unsere lieben Nachbarn aber schon wieder völlig vergessen. Wir haben lecker zu Abend gegessen - Huhn ä la Proveneale von Marks and Spencer und eine Flasche Pinot Grigio, die ich mitgebracht habe. Ich weiß, dass das Huhn ein Fertiggericht von Marks and Spencer ist, weil ich es selbst schon einige Male gekauft habe. Ich erkenne es an den sonnengetrockneten Tomaten, den Oliven und allem Drum und Dran. Mum tut aber natürlich immer noch so, als hätte sie es nach eigenem Rezept ganz allein zubereitet.
Ich weiß wirklich nicht, warum. Ich meine, das interessiert doch niemanden - zumal, wenn sowieso nur Dad und ich mitessen. Und überhaupt, in unserer Küche finden sich nie irgendwelche frischen Zutaten. Jede Menge leere Kartons und jede Menge fertig zubereitetes Essen - und nichts dazwischen. Aber Mum würde niemals zugeben, ein Fertiggericht gekauft zu haben, noch nicht mal, wenn es sich um einen dieser eingeschweißten Pies handelt. Dad isst diese Pies, die mit Plastikpilzen und Glibbersoße gefüllt sind, und sagt hinterher mit bierernster Miene: »Köstlich, Liebling.« Und Mum lächelt ihn an und ist wieder mal vollauf zufrieden mit sich selbst.
Aber heute Abend gibt es keinen eingeschweißten Pie, sondern Huhn ä la Proveneale. (Und es sieht auch fast wie selbst gemacht aus. Nur würde wohl niemand für den Privatgebrauch die Paprika so klitzeklein schneiden, oder? Die Leute haben schließlich Wichtigeres zu tun.) Wie auch immer, wir haben gegessen und ein paar Gläser Pinot Grigio getrunken, im Ofen steht ein Apfelkuchen, und ich habe mir erlaubt, vorzuschlagen, den Fernseher einzuschalten. Ich habe nämlich die Uhr im Auge behalten und weiß, dass die Ziehung der Lottozahlen kurz bevorsteht. In wenigen Minuten passiert es. Oh, Gott, ich kann es kaum abwarten!
Glücklicherweise gehören meine Eltern nicht zu den Leuten, die unbedingt Konversation über Politik oder neue Bücher machen wollen. Wir haben alles besprochen, was es in der Familie Neues gibt; ich habe ihnen erzählt, wie es mit meiner Arbeit läuft; sie haben mir von ihrem Urlaub auf Korsika erzählt - mit anderen Worten, uns geht langsam der Gesprächsstoff aus. Wir müssen den Fernseher einschalten - und wenn er auch nur als Geräuschkulisse dient.
Wir marschieren also alle zusammen ins Wohnzimmer, Dad zündet die gasbetriebene Kaminattrappe an und schaltet den Fernseher ein. Mein Magen krampft sich immer mehr zusammen, und mein Herz pocht bummbummbumm. In wenigen Minuten fallen die Kugeln. In wenigen Minuten bin ich Millionärin.
Ganz ruhig lehne ich mich auf dem Sofa zurück und überlege, was ich mache, wenn ich gewinne. Also, ich meine,
in dem Moment, in dem ich gewinne. Schreien? Ganz ruhig bleiben? Gar nichts sagen? Vielleicht sollte ich vierundzwanzig Stunden meine Klappe halten. Vielleicht sollte ich es sowieso überhaupt niemandem erzählen.
Dieser völlig neue Gedanke lähmt mich. Ich könnte meinen Gewinn geheim halten! Ich könnte das ganze Geld einstreichen und mich jedem weiteren Stress entziehen. Und wenn die Leute mich fragen, wie ich mir all die Designerklamotten leisten kann, sage ich einfach, ich würde nebenbei noch ziemlich viel freie Aufträge annehmen. Genau! Und ich könnte ganz heimlich, still und leise das Leben aller meiner Freunde verändern, wie ein Engel. Und niemand würde dahinter kommen. Das ist doch perfekt!
»Wieso willst du denn Lotto sehen? Hast du einen Schein abgegeben?«, meint mein Vater.
Das bringt mich einen Moment zum Schweigen. Wenn ich meinen Gewinn geheim halten will, kann ich schließlich niemandem erzählen, dass ich einen Schein abgegeben habe. Nicht einmal meinen Eltern.
»Nein!«, sage ich und verspüre grenzenlose Erleichterung, als Dad nicht weiter nachhakt. Ich mache es mir auf dem Sofa bequem und sehe auf die Uhr.
Natürlich weiß ich, dass es meine
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