Die-Schnaeppchenjaegerin
eine Broschüre.
»Oh, vielen Dank«, spöttele ich und stopfe sie in die Tüte. Wahrscheinlich muss sie vor ihren Kollegen einen guten Eindruck machen.
»Bei Wetherby’s ist es zurzeit wirklich richtig spannend«, berichtet Elly. »Wusstest du, dass wir nächsten Monat eine ganze Reihe neuer Fonds auf den Markt bringen? Fünf Stück sind es, glaube ich. UK Growth, UK Prospects, European Growth, European Prospects und...«
Wozu erzählt sie mir das eigentlich alles?
»Elly...«
»Und US Growth!«, schließt sie triumphierend und sieht mich todernst an.
»Ah, ja«, sage ich nach einer Pause. »Na, das hört sich ja... phantastisch an!«
»Wenn du willst, sag ich unseren PR-Leuten, dass sie dich anrufen sollen«, bietet sie an. »Die können dir dann Genaueres dazu erzählen.«
Wie bitte?
»Nein«, beeile ich mich zu sagen. »Nein danke, schon okay. Aber... ahm... was machst du denn nachher, wenn hier Schluss ist? Wollen wir was trinken gehen?«
»Geht leider nicht«, bedauert sie. »Ich habe einen Termin für eine Wohnungsbesichtigung.«
»Du ziehst um?«, frage ich überrascht. Elly wohnt in einer obercoolen Wohnung in Camden, zusammen mit zwei Typen, die in einer Band spielen und sie ständig auf irgendwelche Gigs mitnehmen und so. Warum sollte sie denn da ausziehen wollen?
»Um genau zu sein: Ich kaufe mir was«, sagt sie. »Ich sehe mich ein bisschen in Streatham und-Tooting um... Es sollte schon etwas Feines sein.«
»Klar«, piepse ich. »Gute Idee.«
»Vielleicht solltest du das auch versuchen, Becky«, rät sie. »Du kannst doch nicht ewig in so einer Studentenbude rumhängen. Das echte Leben muss doch auch irgendwann mal losgehen!« Sie sieht zu einem der Männer in Anzügen hinüber und entlockt ihm ein kleines Lachen.
Was heißt denn hier »Studentenbude«?, denke ich beleidigt. Und überhaupt, wer bestimmt denn bitte, was das »echte Leben« ist? Wer hat festgelegt, dass das »echte Leben« aus einer eigenen Wohnung und Perlenohrringen besteht? Ich würde das eher »todlangweiliges, ätzendes Leben« nennen.
»Gehst du zum Sektempfang bei Barclays?«, frage ich sie in der vagen Hoffnung, mich dort mit ihr betrinken und etwas Spaß haben zu können. Aber sie verzieht das Gesicht und schüttelt den Kopf.
»Vielleicht schau ich mal kurz vorbei«, sagt sie, »aber ich fürchte, ich komme hier gar nicht weg.«
»Okay«, sage ich. »Ja, dann, bis... später.«
Ich verlasse den Wetherby’s-Stand und schlage etwas deprimiert die Richtung ein, in der der Sektempfang stattfindet. Ganz unwillkürlich fange ich an, mich zu fragen, ob Elly vielleicht Recht hat und ich alles falsch mache. Vielleicht sollte auch ich über Wohneigentum und Wachstumsfonds reden. Oh, Gott, womöglich stimmt etwas mit mir nicht. Mir fehlt das Gen, das einen erwachsen werden, sich eine Wohnung in Streatham kaufen und jedes Wochenende Heimwerkermärkte aufsuchen lässt. Alle anderen entwickeln sich weiter - in eine Richtung, die ich nicht begreife.
Doch als ich mich dem Eingang zum Sektempfang nähere, geht es mir fast schon wieder besser. Wem würde es bei dem Gedanken an kostenlosen Sekt wohl nicht gleich besser gehen? Der Empfang findet in einem riesigen Zelt statt, auf dem ein riesiger Banner weht und in dem eine Live-Band spielt. Am Eingang sitzt eine junge Frau und verteilt Barclays-Schlüsselanhänger. Als sie mein Namensschild sieht, lächelt sie ganz besonders freundlich, überreicht mir eine glänzend weiße Pressemappe und sagt: »Einen kleinen Moment, bitte.« Dann geht sie zu einer Gruppe von Leuten, murmelt einem Mann im Anzug etwas ins Ohr und kommt zu mir zurück. »Es wird sich gleich jemand um Sie kümmern«, sagt sie. »Darf ich Ihnen in der Zwischenzeit ein Glas Sekt holen?«
Verstehen Sie jetzt, was ich meine? Presse. Man kommt überall in den Genuss einer Sonderbehandlung. Ich nehme das Glas Sekt gerne an, stopfe die weiße Pressemappe in meine Werbetüte und trinke ein Schlückchen. Hmm, lecker. Eiskalt, herb und prickelnd. Vielleicht bleibe ich ein paar Stunden hier und trinke Sekt, bis keiner mehr da ist. Rausschmeißen wird mich schon keiner, schließlich bin ich von der Presse. Vielleicht sollte ich sogar »Rebecca. Wie schön, dass Sie kommen konnten!«
Ich blicke auf und erstarre. Der Mann im Anzug war Luke Brandon. Luke Brandon steht vor mir und sieht mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht ganz deuten kann. Mir wird schlecht. Vergessen sind meine guten Vorsätze, ganz cool und abweisend
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