Die Schnapsstadt
Gou'er fühlte die Wärme, die mit jedem Händeschütteln in seinen Körper strömte, als hätten sich seine Hände um leckere, weiche Süßkartoffeln direkt aus dem Backofen geschlossen. Seine Aktentasche fiel zu Boden. Drinnen löste sich ein Schuss.
Peng!
Aus der Aktentasche drang Rauch. Ein Wandziegel löste sich in Krümel auf. Ding Gou'ers Schreck manifestierte sich in verkrampften Hämorrhoiden. Er sah, dass die Kugel ein gläsernes Mosaikbild an der Wand zertrümmert hatte. Das Gemälde stellte Nacha, den Enkel des Himmelskönigs Pishamon, dar, wie er über dem Weltmeer tobt. Der Künstler hatte ihn als einen nackten, molligen, zarten kleinen Jungen dargestellt. Der unbeabsichtigte Schuss des Ermittlers hatte Nachas kleines Pimmelchen getroffen.
«Ein echter Meisterschuss!»
«Der Vogel, der sich zeigt, wird abgeschossen.»
Ding Gou'er hätte vor Scham in den Boden versinken können. Er hob seine Aktentasche hoch, zog die Pistole heraus und legte den Sicherungshebel um.
«Ich hätte schwören können, dass die Waffe gesichert war», sagte er.
«Selbst ein Rennpferd stolpert manchmal.»
«Pistolen gehen nun einmal los.»
Die großzügigen Worte und Trostsprüche des Zechendirektors und des Parteisekretärs machten das Ganze nur noch peinlicher. Die Zuversicht, mit der er durch den Sonnenblumenwald geschritten war, löste sich auf wie Wolken und Nebel. Mit einer tiefen Verbeugung suchte er nach seinem Ausweis und dem Empfehlungsschreiben.
«Sie müssen Genosse Ding Gou'er sein.»
«Wir freuen uns, dass Sie unsere Arbeit bewerten wollen.»
Ding Gou'er war so peinlich berührt, dass er nicht einmal zu fragen wagte, woher sie wussten, dass er kommen würde. Verlegen rieb er sich die Nase.
«Genosse Direktor», sagte er, «und Genosse Sekretär, ich komme auf Befehl eines gewissen Genossen von hohem Rang, um Gerüchte zu untersuchen, dass in Ihrer hoch geschätzten Zeche Kinder geschmort und gegessen werden. Der Fall hat weit reichende Konsequenzen und unterliegt strikter Geheimhaltung.»
Der Zechendirektor und der Parteisekretär wechselten lange und viel sagende Blicke – mindestens zehn Sekunden lang –, klatschten dann in die Hände und brachen in brüllendes Gelächter aus.
Ding Gou'er runzelte die Stirn und sagte vorwurfsvoll:
«Ich muss Sie darum bitten, die Angelegenheit ernst zu nehmen. Der Stellvertretende Abteilungsleiter in der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit im Parteikomitee von Jiuguo, Jin Gangzuan, stammt aus Ihrer Zeche. Und er ist einer der Hauptverdächtigen.»
Einer von beiden, er wusste nicht, ob es der Zechendirektor war oder der Parteisekretär, sagte:
«Richtig. Abteilungsleiter Jin war früher Lehrer an der zecheneigenen Grundschule. Aber er ist ein hoch begabter und prinzipientreuer Genosse. Ein Mann, wie man ihn nicht oft findet.»
«Können Sie mir Näheres sagen?»
«Wir können uns beim Essen darüber unterhalten und einen Schluck dabei trinken.»
Bevor er den Mund öffnen konnte, um sich zu wehren, hatte man ihn schon in den Speisesaal gezerrt.
II
Verehrter Meister Mo Yan!
Ich hoffe, es geht Ihnen gut.
Ich bin Doktorand im Fach Alkoholkunde an der Brauereihochschule der Schnapsstadt Jiuguo. Mein Name ist Li Yidou, «Li Eine-Kanne», aber natürlich ist das ein Pseudonym. Sie werden Verständnis dafür haben, dass ich meinen wahren Namen nicht nenne. Sie als weltberühmter Schriftsteller (das ist nicht geschmeichelt) werden leicht verstehen, warum ich dieses Pseudonym gewählt habe. Mein Körper mag sich in Jiuguo befinden, aber mein Herz tummelt sich im Meer der Literatur. Deshalb kritisiert mich mein Doktorvater ständig, jener Professor Yuan Shuangyu, der zugleich der Vater meiner Ehefrau, der Ehemann meiner Schwiegermutter, also mein Schwiegervater ist – man könnte ihn auch als «den Herrn im Haus» oder einfach als «den Mann» bezeichnen –, und wirft mir vor, ich vernachlässige meine wahre Karriere. Er hat sogar schon versucht, seine Tochter dazu zu bringen, sich von mir scheiden zu lassen. Aber ich lasse mich nicht abschrecken. Um der Literatur willen würde ich frohen Herzens einen Berg von Messerspitzen erklimmen oder mich in ein Meer von Flammen stürzen. «Um deinetwillen würd ich tausend Qualen leiden, und schlotternd hängen die Kleider am hageren Körper mir.» Ich gebe ihm immer die gleiche Antwort: «Was genau heißt das, seine wahre Karriere vernachlässigen? Tolstoi war Soldat, Gorki Bäcker und Tellerwäscher, Guo Moruo
Weitere Kostenlose Bücher