Die Schnapsstadt
Studentinnen der Brauereihochschule von Jiuguo saßen mit gedankenschweren Köpfen, mit angespanntem Herz und Geist zu einem einzigen Körper vereint neben ihren Professoren, Tutoren, wissenschaftlichen Assistenten und Verwaltungsangestellten im Hörsaal: eine Milchstraße kleiner Sternchen, die einen Superstar bewundern. Es war ein sonniger Frühlingsmorgen. Jin Gangzuan stand aufrecht hinter dem hohen Katheder und blickte mit diamantklaren Augen auf seine Zuhörer. Professor Yuan Shuangyu, inzwischen hoch in den Sechzigern, saß im Publikum und sah zum Podium auf. Das weiße Haar schien um seinen Kopf zu schweben: ein Inbild eleganter Gelehrsamkeit. Jede einzelne Haarsträhne glich einem silbernen Faden. Seine Wangen strahlten Gesundheit aus, seine Haltung war streng und doch gelassen. Er glich einem taoistischen Weisen, Verkörperung des Geistes einer treibenden Wolke oder eines wilden Kranichs. Das silbergraue Haupt überragte alle wie der Kopf eines Kamels in einer Schafherde. Dieser vornehme ältere Herr war mein Doktorvater. Ich kannte ihn, ich kannte seine Frau, und später verliebte ich mich in seine Tochter und heiratete sie, und das bedeutet, dass ich jetzt mit ihm und seiner Frau verwandt bin. Ich, ein kleiner Doktorand der Brauereihochschule mit dem Hauptfach Alkoholkunde, saß an diesem Tag im Publikum, und mein Doktorvater war mein eigener Schwiegervater. Alkohol ist mein Leben, meine Seele und der Titel dieser Erzählung. Die Literatur ist mein Hobby, und ich unterliege nicht den Zwängen des Berufsschriftstellers. Ich kann meinen Pinsel wandern lassen, wohin er will, ich kann mich beim Schreiben betrinken. Guter Schnaps! Richtig: wirklich guter Schnaps! Guter Schnaps, guter Schnaps, guter Schnaps strömt aus meinem Pinsel. Wenn ihr von meinem guten Schnaps trinkt, könnt ihr euch voll fressen wie die Säue, ohne einen Blick nach oben zu tun. Ich stelle meine Schnapsschale mit hellem Klirren auf ein Lacktablett, und wenn ich die Augen schließe, kann ich den Hörsaal vor mir sehen, das Laboratorium, den ganzen wunderbaren Schnaps im Verschnittlaboratorium. In jedem Reagenzglas schimmert ein anderer Farbton. Die Lampen singen, der Schnaps läuft durch meine Adern, meine Gedanken schwimmen gegen den Strom der Zeit, und Jin Gangzuans schmales, hageres und dennoch ausdrucksvolles Gesicht hat seinen eigenen verführerischen Charme. Er ist der Stolz von Jiuguo, und die Studenten bewundern ihn. Sie wünschen sich, dass ihre ungeborenen Söhne werden wie Jin Gangzuan, den man den Diamantbohrer nennt. Die Frauen träumen von Ehemännern wie Jin Gangzuan. Ein Festbankett ohne Schnaps ist kein Festbankett. Jiuguo ohne Jin Gangzuan wäre nicht Jiuguo. Er trank eine große Schale Schnaps und trocknete dann die feuchten seidenglatten Lippen mit einem seidenen Taschentuch, das vor Eleganz stank. Wan Guohua, die Blüte der Abteilung für Verschnittkunde – sie trug das schönste Kleid, das die Welt je gesehen hat –, füllte die Schale unseres Gastprofessors nach. Aus jeder ihrer Bewegungen sprach unermessliche Grazie. Sie errötete unter seinem freundlichen Blick, ja man könnte sagen, rote Freudenwolken hätten sich auf ihren Wangen niedergelassen. Ich weiß, dass einige Mädchen im Publikum unter den Qualen der Eifersucht litten. Andere waren bloß neidisch, und wieder andere knirschten vor Wut mit den Zähnen. Die sonore Stimme drang unbehindert von tief unten im Kehlkopf, und er musste sich niemals räuspern, wenn er zu sprechen begann. Sein Husten gehörte zu jenen lässlichen Sünden, die sich nur Prominente erlauben können: eine bloße Gewohnheit, die seiner eleganten Erscheinung keinen Abbruch tat. Jin Gangzuan fuhr fort:
Liebe Genossen! Liebe Kommilitonen! Verlasst euch nicht blind auf eure Begabung, denn in Wirklichkeit ist Begabung nichts anderes als harte Arbeit. Natürlich bestreiten auch Materialisten nicht, dass manche Menschen eine höhere Begabung besitzen als andere. Aber Begabung ist kein absolut determinierender Faktor. Zugegeben, ich besitze eine überlegene Fähigkeit, Alkohol abzubauen, aber ohne ständiges Training, bewusst kultivierte Technik und durch Übung erworbene Kunstfertigkeit hätte ich die großartige Fähigkeit nie erreicht, so viel zu trinken, wie ich will, ohne mich zu betrinken.
Gangzuan, du bist ein bescheidener Mensch. Aber das findet man bei Hochbegabten häufig. Leute, die mit ihrer Begabung prahlen, haben meist kein angeborenes Talent oder doch nur sehr wenig davon.
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