Die Schnelligkeit der Schnecke
sie ihn nicht einmal und redeten ungerührt weiter.
»Was hat er gesagt, wie sich dieser neumodische Scheiß nennt?«
»Uaierless.«
»Wie?«
»Uaierless. Das ist Englisch, Ampelio. Es heißt ›drahtlos‹. Das ist eine Art, sich mit dem telematischen Netz zu verbinden.«
Der da gesprochen hatte, war Aldo, ein gut aussehender Witwer in den Siebzigern. Aldo war der einzige Angehörige des Quartetts aus gereiften Jünglingen, der noch nicht den Annehmlichkeiten der Pension erlegen war: Seit einigen Jahren besaß und führte er ein kleines Lokal, das sich Boccaccio nannte. Das Boccaccio verfügte über einen flotten, aber höflichen Service, einen endlosen Weinkeller, der von Frankreich bis nach Neuseeland reichte, und einen außergewöhnlichen Koch, Otello Brondi, aufgrund der Ausmaße seiner Hände liebevoll Tavolone, großer Tisch, genannt.
Als Liebhaber barocker Musik, klassischer Literatur und Frauen aus Fleisch und Blut war Aldo einer der drei oder vier lebenden Menschen auf der Welt, die noch in der Lage waren, sich in einem grammatikalisch korrekten und außerordentlich gewählten Italienisch auszudrücken, das frei von jeglichen Anglizismen war.
Eine Kunst, derer sein direkter Gesprächspartner nicht mächtig war, und das mit Stolz. Er nannte sich Ampelio, war dreiundachtzig Jahre alt und Großvater des Barista. Er hatte eine glückliche Vergangenheit als Bahnhofsvorsteher, Gewerkschafter und Amateurradsportler hinter sich und verbrachte jetzt eine heitere Gegenwart aus Nachmittagen und Abenden in Gesellschaft seiner bejahrten Freunde in der Bar seines Enkels. Der derjenige war, welcher mit dem Computer im Arm zwischen den Tischen umherstreifte.
»Aha, und was soll das sein, so was wie Internet?«
»Das ist Internet. Aber ohne Kabel. Wenn du einen tragbaren Rechner hast, kommst du in die Bar und verbindest dich direkt, ohne dass du irgendwelche Kabel brauchst.«
»Ist ja gut, ich hab’s verstanden. Du kommst in die Bar, und statt mit Ugo und Gino zu reden, verbindest du dich mit dem Internet und guckst, was in Australien so los ist. Und während du dir Australien anguckst, reden zwei Meter von dir entfernt Ugo und Gino darüber, wie gut deine Freundin im Bett ist. Ich bitte dich ...«
»Ampelio, fang jetzt nicht so an. Das Internet ist ein Medium. Es kommt darauf an, wie du es nutzt. Du hast Zugang zu Milliarden von Informationen. Du erfährst alles über alle, Wahres und Falsches. Und all das in einem Höllentempo und ohne auch nur einen Fuß vor die Tür zu setzen.«
»Aldo hat recht«, mischte sich Del Tacca ein. »Du erfährst alles, kaum dass es passiert ist, und auch, wenn überhaupt nix passiert, erfährst du’s. Und das, ohne dass du einen Fuß vor die Tür setzt. Das ist wie deine Frau, Ampelio, nur dass du es ausschalten kannst.«
Der dritte Mann, der jetzt gesprochen hatte, war unter den Einwohnern Pinetas einfach als »der Del Tacca von der Gemeinde« bekannt; und zwar, um ihn zu unterscheiden vom »Del Tacca aus Foce Nòva«, der in der Nähe des ehemals neuen Viertels an der Flussmündung wohnte, vom »Del Tacca von der Straßenbahn«, der als Schaffner gearbeitet hatte, und vom »Del Tacca von der Agip am Viale«, dessen berufliche Aktivitäten man lieber nicht genauer benennt, sagen wir einfach nur, dass er nicht als Tankstellenpächter arbeitete. Der Del Tacca von der Gemeinde war ein dicker kleiner Mann, beinahe breiter als hoch, der auf den ersten Blick etwas anmaßend erscheinen mochte, von Nahem betrachtet aber einfach nur unsympathisch war wie breit getretene Hundekacke. Eine Wirkung, die er, zusammen mit dem hohen Anteil an Fettgewebe, in langen Jahren sogenannter Arbeit in der Gemeindeverwaltung von Pineta entwickelt hatte: Jahre voller ausgedehnter Frühstückspausen, verloren gegangener Akten und semiklandestiner Kartenspiele, während sich vor dem Schalter und dem Schild »Bin gleich zurück« lange Schlangen gebildet hatten.
In der Zwischenzeit hatte der Priester des Kultes den Laptop zusammengeklappt und sich an den Tisch zu der aufreizenden Schönheit gesetzt. Sie hieß Tiziana und arbeitete seit zwei oder drei Jahren als Mädchen für alles in der BarLume. Diese BarLume wiederum gehörte Massimo, der in Personalunion den Priester des Kultes und Ampelios Enkel in sich vereinte. Also, der Typ, der sich gerade hingesetzt hatte, hieß Massimo und war der Barista.
Massimo zündete sich eine Zigarette an, schaute auf das Blatt, das Tiziana ihm hinhielt, und runzelte
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