Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
ab. Elina war bereits mit einem Bein aus dem Wagen, als sie Sebastians Stimme hinter sich sagen hörte: »Bitte geh nicht. Es tut mir leid. Das ist alles zu viel für mich. Ich habe mich dir gegenüber wirklich mies benommen. Deshalb verstehe ich, dass du gehen willst, aber ich wäre dir dankbar, wenn ich alles erklären dürfte …«
Während er sprach, hatte Elina innegehalten. Sie verließ sich normalerweise auf die Meinung, die sie sich von einem Menschen gebildet hatte, und gab nicht gern zu, dass sie bei Sebastian blauäugig gewesen war und sich total geirrt hatte. Sie seufzte und setzte sich zögernd wieder hin, ließ jedoch die Tür offen, für den Fall, dass sich die Situation doch negativ entwickeln sollte. Dann wandte sie sich Sebastian zu und versuchte, ihre Stimme fest klingen zu lassen.
»Also gut, ich höre zu. Aber dies ist deine letzte Chance. Wenn du jetzt lügst, gibt es nichts mehr zu reparieren.«
Sebastian sah Elina fast gequält an. Sie schwiegen, bis er mit matter Stimme anfing zu erzählen: »Mein Vater sitzt im Gefängnis, ja. Er war in Magdeburg, Dresden und Berlin in der Immobilienbranche tätig, was bis in die ersten Zweitausenderjahre auch gut lief. Aber dann ging es bergab, weil immer mehr Leute aus dem Osten wegzogen. Er machte sich des Konkursbetrugs und anderer Wirtschaftsdelikte schuldig. Die eigentlichen Probleme haben allerdings mit Dingen zu tun, die weiter zurückliegen …«
Elina hörte regungslos zu und sah Sebastian an. Seine Miene versteinerte auf sonderbare Weise.
»Meine Mutter arbeitete für die NATO. Sie hatte deutsche Wurzeln und sich daher beim Stützpunkt Ramstein in Westdeutschland beworben. Dort wurde ich geboren. Mein Vater wohnte achtzig Kilometer entfernt in Mannheim, wo er als Vertreter arbeitete. Wenn ich ihn besuchte, verwöhnte er mich mit Süßigkeiten und Spielzeug …«
Elina wusste nicht, was sie denken sollte. Vorsichtig schloss sie die Wagentür, sie wollte Vertrauen zeigen, um Sebastian zum Sprechen zu bringen. Er sah auf einmal blass und unsicher aus.
»Als ich neun war, starb meine Mutter bei einem Autounfall, wie ich dir schon erzählt habe. In meinem Schock und meiner Trauer ging ich natürlich davon aus, dass mein Vater mich zusich nehmen würde. Entsprechend niederschmetternd war es zu erfahren, dass er mich gar nicht wollte. Es war fast so schlimm wie der Tod meiner Mutter. Ich wurde in die USA zur Schwester meiner Mutter geschickt. Mein Vater hielt per Post und Telefon Kontakt mit mir, bis er sich irgendwann gar nicht mehr meldete.«
Elina hörte bewegt zu. Sie empfand zwangsläufig Mitleid mit dem kleinen Jungen, der auf einen Schlag Vater und Mutter verloren hatte.
»In der Anfangszeit teilte mir mein Vater noch jedes Mal seine neue Adresse mit, aber sonst nichts. Nach der Wiedervereinigung zog er nach Dresden. Als ich später zum Studieren und Arbeiten nach Berlin kam, rief ich ihn an, doch er war an einem Treffen nicht interessiert. Bis er mich vor fünf Monaten plötzlich sehen wollte. Er sitzt im Gefängnis, wegen Konkursbetrugs ist er zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Warum er mich treffen wollte, das hatte allerdings mit meiner Mutter zu tun.«
Elina spürte, wie sich etwas in ihr regte. Allmählich verstand sie Sebastians Verhalten und sogar sein Verheimlichen bestimmter Dinge.
»Ein Unbekannter hatte sich bei meinem Vater gemeldet und behauptet, er sei ehemaliger Stasi-Agent. Er hat auch behauptet, der Tod meiner Mutter sei kein Unglück, sondern Mord gewesen. Es habe sich um eine Stasi-Operation gehandelt. Aus dubiosen Gründen sei meine Mutter durch einen inszenierten Autounfall getötet worden. Mein Vater hat mir einige Namen von Personen genannt, die irgendwie mit der Operation zu tun hatten. Diese Spuren habe ich in Deutschland verfolgt, und Vera bat ich, einem russischen Namen auf die Spur zu kommen.«
Es wurde still im Wagen. Elina hätte gern ihre Hand tröstend auf Sebastians Hand gelegt, doch sie ließ es bleiben.
»Gerade eben habe ich zwei neue Namen erfahren. PeterRichter und den Decknamen Martin. Ich werde versuchen, die beiden zu finden.«
»Du hast also keine genaue Vorstellung davon, was hinter dem Mord an deiner Mutter steckt?« Elina flüsterte fast, als sie das fragte.
Sebastian schüttelte den Kopf. »Das versuche ich ja gerade herauszufinden. Ich will den Mörder meiner Mutter finden und ihn zur Rechenschaft ziehen.«
»Und Ralf Tanner hat mit alldem etwas zu tun?«
Sebastian
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