Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
Haus. Die erste Möglichkeit konnte er ausschließen, als er in der Eingangshalle oben an der Wand ein rotes Licht blinken sah, als der faustgroße Melder Rikus Bewegungen registrierte.
Da keine Sirene heulte, gab es nun zwei Alternativen: Entweder war die Anlage ausgeschaltet – aus Faulheit oder weil sich Personen im Haus aufhielten –, oder irgendwo nahm jemand gerade eine SMS entgegen, die ihm das Auslösen des Alarms mitteilte.
Riku hatte also nichts zu verlieren, weshalb er die Treppe hinunterlief und sich darauf gefasst machte, jeden Moment jemandem zu begegnen. Es wunderte ihn, dass es anscheinend keine Kameraüberwachung im Haus gab.
Alle Räume waren leer, nirgendwo war ein Mensch zu sehen. Aber das Haus war üppig eingerichtet, und vieles zeugte davon, dass die Bewohner Wert auf Kultur legten: Es gab reichlich Bücher, Ölgemälde im klassischen Stil, einen Flügel und mehrere Skulpturen.
Igor Bykow saß auf dem ledernen Rücksitz des Audi und telefonierte mit seiner Freundin, die als Balletttänzerin am Mariinski-Theater arbeitete. Gerade eben hatte ihm ein gedämpftes Piepsen den Eingang einer SMS gemeldet.
»Ich habe einen Tisch im Palkin reserviert, wir sehen uns dort«, sagte Bykow und beendete das Gespräch. Er rief die eingegangenen Mitteilungen auf und fluchte, als er den Absender der jüngsten SMS sah.
»Der Bewegungsmelder«, sagte er zu seinem Chauffeur.
»Wieder eine Maus?«
»Wahrscheinlich.«
»Und wenn es diesmal kein falscher Alarm ist?«
Bykow bereute es, im Haus keine Kameras installiert zu haben. Kameras gegenüber war er schon immer skeptisch gewesen und besonders, seit die Überwachungskameras im Haus eines befreundeten Geschäftsmannes zu Spionagezwecken benutzt worden waren und man den Mann mit Bildmaterial aus seinen eigenen vier Wänden erpresst hatte.
»Es hilft nichts«, sagte Bykow genervt. »Kehr um.«
Rasch, aber sorgfältig durchsuchte Riku die Papiere in Bykows Arbeitszimmer. Ein Mann wie Bykow vermied es, Dinge aufzuschreiben, und bewahrte die wichtigsten Unterlagen im Tresor auf, der sicherlich irgendwo im Haus versteckt war. Aber alle Menschen machten Fehler, weshalb sich vielleicht doch etwas finden ließ. Kurz gab sich Riku der Überlegung hin, wie der Name seines Vaters im Notizheft von Vera Dobrina gelandet war – sollte es vom Mord an ihr über Nowikow eine Verbindung zu Bykow geben, war es zumindest theoretisch denkbar, dass Bykow oder einer seiner Kontakte auch Informationen über Ralf Tanner hatte.
Er blätterte in den Unterlagen: Kontoauszüge, Rechnungen, Quittungen. Als er eine zwei Wochen alte Quittung aus einem Restaurant in Helsinki entdeckte, hielt er inne. Chez Dominique, zwei Personen, zweihundertsechsundvierzig Euro. Auf einem anderen Stapel lagen Gewinn- und Verlustrechnungen und die Grundrisszeichnungen eines Architekten für ein Geschäftszentrum. Offenbar wollte Bykow seine Aktivitäten in legale Richtung erweitern, oder aber die Unterlagen hatten mit Unternehmen zu tun, von denen Schutzgeld erpresst werden sollte.
Die Schreibtischschublade war abgeschlossen, und sie ließsich nicht öffnen, so sehr Riku auch daran rüttelte. Er schob den Stuhl beiseite und versetzte der Schublade von unten einen kräftigen Tritt, sodass der Boden herausbrach. Im Schubladeninhalt auf dem Fußboden entdeckte Riku die Fotokopie einer Karte mit finnischen Ortsnamen. Munapirtti, Kiviniemi … Es war die Gegend um Kotka. An der Küstenlinie, bei Huutoniemi, war ein Kreuz eingezeichnet.
Unter der Kartenkopie kam ein Blatt zum Vorschein, das ebenfalls bekannte Einzelheiten enthielt. Riku zuckte zusammen und spürte einen kalten Schauer über seinen Rücken laufen.
Was er in der Hand hielt, war eine Liste der Mitarbeiter des Drogendezernats bei der KRP: Timo Manninen, verheiratet; Tero Kivelä, verheiratet; Riku Tanner, geschieden, ein sechsjähriger Sohn … Die Liste setzte sich fort. Bei allen Namen standen jeweils die Adresse, die Telefonnummer und die Personenkennziffer.
Die Informationen konnten nur aus dem Polizeigebäude selbst stammen. Riku faltete das Blatt zusammen und steckte es ein. Er hatte immerhin etwas gefunden, aber das reichte noch nicht. Er musste lückenlose Beweise gegen Bykow auftreiben und herausbekommen, wer der wahre Verräter bei der Polizei war.
Er ging in die große, mit Grünpflanzen geschmückte Aula im Untergeschoss. Dort roch es leicht nach Chlor. Hinter der ersten Tür befand sich offenbar die Filteranlage des Pools. Die
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