Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
war überrascht von der dramatischen Reaktion seines Vaters. »Was sollte dir im Schutz dieser Mauern zustoßen?«
Claus starrte ihn an, ohne eine Miene zu verziehen. »Hör auf, nach Kovalenko zu suchen. Deine Mutter erwacht nicht wieder zum Leben, auch wenn du ihren Mörder findest. Ich hätte dir keinen einzigen Namen nennen sollen.«
Sebastian machte sich nicht die Mühe zu antworten. Sein Vater musste verstehen, dass ihn nichts mehr hindern konnte. Das Spiel hatte begonnen, und er hatte nicht die geringste Absicht aufzugeben.
Der Vater hatte Sebastian die Wahrheit über sich erzählt, aber er kannte nicht die Wahrheit über seinen Sohn. Im Grunde waren sie sich viel ähnlicher, als der Vater ahnte.
»Vergiss das alles«, sprach Claus weiter, und nun klang es nach einer inständigen Bitte. »Halte dich aus der Sache heraus, mir zuliebe, aber vor allem dir zuliebe.«
»Du hast mir noch immer nicht alles erzählt.«
Claus schwieg. Die Sekunden verstrichen.
»Du verstehst doch, dass ich jetzt nicht vorhabe, einen Rückzieher zu machen«, fuhr Sebastian fort. »Es gibt keinen Weg zurück. Wenn du mir etwas verheimlichst, gefährdest du mich und dich selbst.«
Für einen Moment wirkte Claus beinahe verzweifelt. Er öffnete den Mund und wollte widersprechen, bekam aber dann doch kein Wort heraus. Er versank kurz in Gedanken und murmelte schließlich mehr zu sich selbst als zu Sebastian: »Es gibt da einen Mann namens Richter. Peter Richter. Und einen, von dem ich nur den Decknamen aus Stasi-Zeiten kenne. Martin.«
»Warum hast du mir die nicht früher genannt?«
»Richter ist Ingenieur. Ein Mann aus der Abteilung Wissenschaft und Technik. Ingenieuroberst. Ich glaube nicht, dass er über wesentliche Informationen verfügt. Nicht mehr als ich auch. ›Martin‹ war Sonderoffizier.«
Elina lehnte sich am Rand des Gefängnisparkplatzes an den Zaun und blickte nervös auf die Uhr. Es war schwül, die Kleider klebten ihr an der Haut. Sie hatte Durst, und in den Schläfen meldeten sich erste Anzeichen von Kopfschmerzen. Ab und zu wehte ein leichter Wind den Lärm der vierspurigen Straße herüber.Die spätsommerliche Hitzewelle hatte fast ganz Europa erfasst.
Was sollte sie tun, wenn Sebastian wieder aus dem Gefängnistor trat? Sie wollte klare Antworten. Wenn sie die nicht bekäme, würde sie nach Finnland zurückfliegen.
Sie rieb sich leicht die Schläfen und schloss die Augen. Sebastians Erklärung für den Diebstahl des Heftes war an sich glaubwürdig, denn wenn die Stasi-Vergangenheit eines Familienangehörigen aufgedeckt wurde, war das in Deutschland keine Kleinigkeit. Man ging davon aus, dass die damalige Entscheidung dieser Menschen, den Unterdrückungsapparat zu unterstützen, auch etwas über ihre heutigen moralischen Fähigkeiten aussagte.
Elina zuckte zusammen, als ihr Handy klingelte. Unbekannte Nummer.
Noch bevor sie die Stimme hörte, wusste sie intuitiv, wer der Anrufer war.
»Sie haben versucht, mich zu erreichen«, sagte Riku Tanner.
»Wo sind Sie?«
»Fragen Sie nicht, kommen Sie zur Sache. Es kann sein, dass ich das Gespräch jeden Moment abbrechen muss.«
»Hat es mit Ihrem Vater zu tun, dass Sie von den Ermittlungen im Mord an Vera abgezogen wurden?«
»Mit meinem Vater? Was meinen Sie damit?«
Riku drückte das Handy fest ans Ohr. Auf der anderen Straßenseite verlief eine hohe Mauer, hinter der er das Ziegeldach von Bykows Villa erkennen konnte.
»In Veras Notizheft stand der Name Ralf Tanner«, erklärte Elina Aros Stimme etwas undeutlich.
Die Behauptung war so unfassbar, dass es Riku schwerfiel, sie zu glauben. »Tut mir leid, aber ich begreife nicht …«
»Sie haben als Kind in Moskau gelebt. Was hat Ihr Vater dort getan?«
Wild rotierten die Gedanken in Rikus Kopf, er hatte das Gefühl, sie nirgendwo fassen zu können. »Geschäfte. Osthandel. Ich verstehe absolut nicht, warum Vera Dinge untersucht haben sollte, die mit meinem Vater zu tun haben.«
»Alles scheint irgendwie mit Sebastians Vater zusammenzuhängen, der offenbar eine Stasi-Vergangenheit hat … Bald werde ich mehr wissen. Allerdings bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich Sebastian vertrauen kann oder ob er geradezu … gefährlich ist. Wo sind Sie?«
»Sind Sie … ganz sicher, dass in Veras Notizen der Name Ralf Tanner stand?«
»Ja. Mehr weiß ich bis jetzt nicht, aber ich werde mich wieder melden. Und seien Sie vorsichtig, was immer Sie auch tun! Besser ist es wahrscheinlich, wenn Sie gar nichts tun,
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