Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
wäre.
Leena führte Jalava ins Wohnzimmer, wo ein riesiges, von Leena selbst gemaltes Bild an der Wand hing.
»Sie wollten etwas über Ralf wissen.«
»Es geht um einen aktuellen Fall, in dem wir ermitteln. Dabei ist der Name Ralf Tanner aufgetaucht.«
»Wie denn das?«
»Aus ermittlungstaktischen Gründen kann ich Ihnen nicht mehr sagen. Uns interessiert Ralf Tanners geschäftliche Tätigkeit. Besitzen Sie dazu irgendwelche Dokumente? Buchhaltung, Korrespondenz oder dergleichen?«
»In der Garage stehen zwei Kartons mit Ordnern. Ich habe sie aufgehoben, weil Riku es verlangt hat. Alle anderen habe ich vernichtet.«
Jalava stand auf. »Ich würde sie gerne mitnehmen und einen Blick darauf werfen, falls Ihnen das recht ist.«
»Na ja …«, antwortete Leena unsicher.
Sie gingen nach draußen und in die Garage, wo fertige und halbfertige Ölgemälde von Leena an der Wand lehnten oder im Regal standen. Sie hatte die Angewohnheit, etwas Neues anzufangen, bevor das Alte fertig war.
In einem Regal stand auch ein primitiver grauer Computer aus den Achtzigerjahren, eine Erinnerung an die Vergangenheit, an die glücklichen Tage, als sie alle noch zusammen gewesen waren … Plötzlich traten Leena Tränen in die Augen. Alles war so gut gewesen. Bis die Spannungen zwischen ihr und Ralf zugenommen hatten, weil er trank und immer wieder aus undurchsichtigen Gründen fortblieb. Sie war mit Riku nach Helsinki gezogen, Ralf hatte ab und zu seinen Sohn besucht, aber eines Tages verschwand er spurlos. Das war ein schwerer Schlag, besonders für Riku, auch wenn er das Ganze äußerlich tapfer und ruhig hinzunehmen schien. Allerdings war er von da an nicht mehr bereit gewesen, über seinen Vater zu reden. Leena glaubte, dass Riku später unbewusst ständig nach seinem Vater gesucht hatte. Vielleicht hatte er zum Teil auch deswegen den Polizeiberuf gewählt, obwohl ihm seine Schulnoten eine akademische Ausbildung ermöglicht hätten.
Entschieden kehrte sie dem Regal den Rücken zu und ging zu den beiden aufeinanderstehenden Kartons. Jalava öffnete den oberen, nahm einen Ordner heraus und blätterte ihn raschdurch. Dann legte er ihn zurück, bückte sich und hob beide Kartons an.
»Ich möchte nicht, dass sie wegkommen. Sie sind für Riku wichtig …«
»Wir bringen sie natürlich zurück. Sie können uns helfen, das Schicksal Ihres Mannes aufzuklären.«
Leena löschte das Licht und folgte Jalava zu dessen Wagen.
»Jetzt ist es wichtig, dass Sie unser Gespräch niemandem gegenüber erwähnen«, erklärte Jalava mit betont gesenkter Stimme, wobei er Leena noch ernster als zuvor in die Augen sah. »Hat Riku sich bei Ihnen gemeldet?«
Sie nickte schwach.
»Was hat er gesagt?«
»Nur, dass er einen Auftrag hat, wegen dem er eine Zeit lang unterwegs sein muss.«
»Hat er gesagt, wo er ist? Oder hat er etwas von seinem Sohn erzählt?«
»Nein. Wieso von seinem Sohn? Was ist mit Leo?«
Leena wollte Katjas Anruf nicht erwähnen, aber Jalavas Fragen machten ihre Sorgen noch größer. Sollte sie ihm doch davon berichten?
»Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas von Riku hören«, forderte Jalava sie auf, als er in den Wagen stieg. Leenas Fragen überging er einfach.
Dann brauste der BMW davon, und Leena starrte ihm hinterher, von immer unschöneren Vorahnungen ergriffen. Allmählich bekam sie es mit der Angst zu tun. Was ging hier eigentlich vor?
Sie versuchte Riku anzurufen, doch der meldete sich nicht.
33
Elina beobachtete, wie Sebastian ausdruckslos aus dem Besuchereingang des Gefängnisses trat und auf seinen alten, grauen Geländewagen zueilte.
Sie ging ihm entgegen und hatte den Landrover fast schon erreicht, als Sebastian sie bemerkte.
»Was machst du denn hier?«, fuhr er sie an. »Du bist mir gefolgt. Findest du das witzig?«
Er riss die Fahrertür auf und setzte sich mit grimmiger Miene ans Steuer. Elina kletterte auf den Beifahrersitz.
Sebastian startete den Wagen und stieß mit hohem Tempo zurück. Elinas Herz hämmerte, ihre Hände schwitzten, fast wünschte sie, nicht eingestiegen zu sein. Trotzdem konnte sie sich ihre Frage nicht verkneifen: »Dein Vater sitzt also im Gefängnis? Oder hast du jemand anderen besucht?«
Sebastian antwortete nicht, sondern fuhr mit einer jähen Lenkbewegung auf die Straße.
»Halt an«, forderte Elina.
»Was soll das jetzt …?«
»Ich steige hier aus. Buchstäblich und im übertragenen Sinn …« Entschlossen legte sie die Hand auf den Türgriff.
Sebastian bremste
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