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Die Schockwelle: Thriller (German Edition)

Die Schockwelle: Thriller (German Edition)

Titel: Die Schockwelle: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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wird wahrscheinlichnach Finnland zurückkommen, dann wird er mir schon in die Arme laufen.«
    Bykow suchte nach Vorwänden, um sich der Verantwortung zu entziehen, aber Feliks kannte keine Gnade. Er kochte vor Wut und Frustration. Dieses Problem konnte potenziell die ganze Operation gefährden.
    Er ging zum Wagen zurück. Von der nahe gelegenen Bootswerft drangen Geräusche herüber, ansonsten war alles friedlich – es war der abgelegenste Ort in der Nähe der Innenstadt, weshalb er ihn schon benutzt hatte, als er noch beim KGB beschäftigt gewesen war. Wegen der nahen Brücke zum östlichen Stadtteil Kulosaari war es leicht sicherzustellen, dass man von niemandem beschattet wurde. Seinerzeit hatten auch die in Kulosaari stationierten Stasi-Beamten der DDR-Vertretung den Ort genutzt.
    Vielleicht hatte Kirsti Laaksonen deshalb nicht hierher gewollt. Feliks setzte sich nicht auf die Rückbank, sondern ans Steuer, denn er hatte weder Zeit noch Lust, länger mit einer Frau zu reden, die jede Beherrschung verloren hatte.
    »Entschuldige die Unterbrechung, Kirsti«, sagte er auf Finnisch. »Ich mache derzeit Urlaub hier in Finnland, und meine Vertretung in London hat angerufen. Einer der Tanker von TerraEnergo befindet sich vor der Küste Somalias, und der Kapitän befürchtet, dass Piraten dem Schiff folgen.«
    »Hast du etwas mit Nowikow zu tun gehabt? Weißt du etwas über den Mord an der Dobrina?« Laaksonen war eindeutig nur an ihren eigenen Angelegenheiten interessiert.
    »Diese Frage ist geradezu eine Beleidigung …«
    »Du kanntest Nowikow.«
    »Ich kenne viele Menschen. Auch dich. Es ist zu deinem eigenen Vorteil, wenn du nur im Notfall Kontakt zu mir aufnimmst. So wie früher.«
    Feliks kannte Laaksonen seit Anfang der Achtzigerjahre, als sie Kontaktperson der Stasi gewesen war. Sie hatte die Stasi-Beziehungenim Rahmen ihrer zahlreichen Besuche an der Jugendhochschule »Wilhelm Pieck« aufgenommen. Die FDJ-Lehranstalt war ein klassischer Rekrutierungsort gewesen, wo man sich die Beziehungen zwischen den jungen Leuten in vollem Umfang zunutze gemacht hatte. Nach der Anwerbung der Laaksonen machte die Stasi wie üblich Meldung an den KGB, und die junge, vielversprechende Politikerin mit Gewerkschaftsvergangenheit wurde zu einer der Kontaktpersonen von Feliks. Zeitweise wurde sie beim KGB sogar mit Namen wie Arne Treholt oder Stig Bergling verglichen, allerdings bekam man von ihr nie vergleichbar hochwertiges Material.
    Der zweite wichtige Kontakt von Feliks war Ralf Tanner gewesen. Der KGB betrachtete sowohl Laaksonen als auch Tanner als vollständig rekrutierte Agenten, denn für das Resultat spielte es keine Rolle, wie die Betroffenen selbst oder die Finnen im Allgemeinen das Verhältnis sahen. Und Feliks kümmerte sich um angeheuerte Finnen, die für die Sowjetunion spionierten. Mit ihrer Hilfe konnte sich Moskau geheimdienstrelevante technisch-wissenschaftliche, militärische und politische Informationen von höchstem Niveau beschaffen, anstatt bloßer Gerüchte, die beim Mittagessen ausgetauscht wurden. Im Nachhinein waren die Kontakte dann trotzdem leicht als reiner gesellschaftlicher Umgang und alltägliches Zusammentreffen mit KGB-Vertretern abzutun gewesen, obwohl es sich zum Teil um klassische Spionagetätigkeiten gehandelt hatte.
    Die Finnland-Gruppe der dritten Abteilung der Auslandsaufklärung wurde »Finnland-Mafia« genannt, aber bei den übrigen KGB-Leuten gering geschätzt: ein Küken war kein Vogel und Finnland kein Ausland.
    »Du scheinst es überhaupt nicht ernst zu nehmen, dass die Polizei mich nach Nowikow gefragt hat«, schnaubte Kirsti Laaksonen auf dem Rücksitz.
    »Ich nehme es ernst, aber leider habe ich keine Ahnung, warum sie das getan hat«, erklärte Feliks, und diese Antwortwar ausnahmsweise ehrlich. Er ließ den Motor an und fuhr im Schritttempo los. »Du hast Nowikow früher ein paarmal getroffen, so etwas bleibt der Polizei im Gedächtnis.«
    »Die KRP ist nicht dasselbe wie die SiPo.«
    Das unablässige Nörgeln, die ganze fordernde Haltung der Frau ging Feliks immer mehr auf die Nerven. Laaksonen und viele andere Finnen hatten geglaubt, ihre KGB-Kontakte im Griff zu haben, obwohl es genau umgekehrt gewesen war. Oft ließen sich Menschen auf die Zusammenarbeit mit Geheimdiensten ein und glaubten, sich jederzeit davon lösen zu können, wenn sie es nur wollten. Die Wahrheit sah anders aus: Nicht einmal die geringste Kooperation geriet in Vergessenheit, sondern konnte jederzeit

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