Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
bei der Vernehmung ausgesagt, der Entführer hätte das Material in ein anderes Auto weitergereicht. Daraufhin waren die Verkehrsüberwachungskameras an der Kreuzung zur Fredrikinkatu überprüft worden, aber ein geparkter Lieferwagen hatte die Sicht versperrt.
Mira ging die Straße entlang und dachte nach. Sie musste sich irgendwie selbst Gewissheit über Rikus Unschuld verschaffen. Es schien neue Erkenntnisse in dem Fall zu geben, das hatte sie im Büro gespürt – so wie sie gespürt hatte, dass man ihr nicht alles sagte. Nach außen hin benahm sich Markku scheinbar normal, aber er war eine Spur zu gelassen, um in Miras Augen glaubwürdig zu erscheinen.
Sie wollte Riku begreiflich machen, dass er es ernst nehmen musste, wenn Markku ihn verdächtigte, ein Verhältnis mit ihr zu haben.
Es schnürte ihr die Kehle zusammen, wenn sie an ihre Ehedachte. Sie mühte sich in der schwierigen, freudlosen Beziehung mit Markku ab und hatte dabei längst vergessen, was sie vom Leben und von einer Partnerschaft eigentlich erwartete. Schon der alltägliche Umgang mit Riku kam ihr so befreiend, so leicht, so richtig und einfach vor. Und jetzt hätte sie ihn gerne an ihrer Seite gehabt, um sich von seiner Aufrichtigkeit zu überzeugen und vor allem weil sie sich nach dem Gefühl der Sicherheit sehnte, das Riku ihr vermittelte.
Unweigerlich fragte sie sich, ob Markku bereits von Rikus Anrufen erfahren hatte. Und immer wieder, fast zwanghaft, stellte sie sich den Moment vor, in dem Markku sie nach Riku fragen würde. Warum hatte er das Thema nicht längst zur Sprache gebracht? Sein Schweigen war bedrohlich und beängstigend. Sollte sie doch von sich aus die Sache ansprechen? Eine glaubwürdige Erklärung für die SMS-Botschaften musste sie sich auf jeden Fall ausdenken. Aber was sollte sie sagen? Zwischen mir und Riku ist nichts … Das würde wie ein Geständnis klingen.
Sie drehte sich um und blickte zu dem Verlagsgebäude zurück und zu der Stelle, wo laut Elina Aro die Entführung stattgefunden hatte. Nach kurzem Überlegen machte sie kehrt und betrat das Schmuckgeschäft gegenüber dem Verlag.
Die Straßengeräusche wurden sofort gedämpft, als sich die Tür hinter ihr schloss. In dem hellen Laden herrschte eine gediegene Atmosphäre. Interessiert ließ Mira ihren Blick über die modernen Ausstellungsstücke schweifen. Es war ein Hobby von ihr, selbst Schmuck herzustellen, sie hatte sogar Kurse besucht und träumte davon, irgendwann einmal ihr Brot als Schmuckdesignerin verdienen zu können. Markku hatte für derartige Träume nur Verachtung übrig und hielt sie für Hirngespinste.
In Gedanken versunken strich Mira über einen fein geschmiedeten Silberring und warf dann einen Blick durchs Schaufenster auf die Straße. Der Eingang zum Verlag war von hier ausgut zu sehen. Sie blieb neben einem weißen Holzblock stehen, auf dem ein Glaskubus stand. Auf dem Samtkissen darin steckte ein schlichter Ring, dessen Edelsteine im Licht eines Spots funkelten.
»Kann ich Ihnen helfen? Interessieren Sie sich für den Diamantring?«, fragte eine perfekt gestylte Verkäuferin.
Mira schaute erneut auf den Ring und schmunzelte: »Der würde mich schon interessieren, aber ich komme in einer anderen Angelegenheit.«
Sie zeigte ihre Dienstmarke und stellte sich vor. »Ich möchte etwas über die Positionen Ihrer Sicherheitskameras wissen.«
Feliks Grischanow ärgerte sich über das unbeherrschte Benehmen der Abgeordneten Laaksonen auf der Rückbank seines Wagens. Zum Glück hatte sein Telefon geklingelt und ihm einen Vorwand geboten auszusteigen.
Mit dem Handy am Ohr stand er am Rand einer unasphaltierten Straße auf der Insel Mustikkamaa im Osten von Helsinki. Einige Meter weiter parkte der Range Rover, durch dessen verdunkelte Scheiben man nicht einmal die Umrisse von Kirsti Laaksonen erkennen konnte. Bevor er die nervöse Frau beruhigen würde, musste Feliks noch ein paar dringendere Dinge erledigen.
»In Sankt Petersburg wohnen fünf Millionen Leute«, sagte Bykow am anderen Ende der Leitung gereizt, um sich zu verteidigen.
»Mich interessieren nicht die fünf Millionen, mich interessieren Olga Rybkina und Riku Tanner«, erwiderte Feliks mit tiefer Stimme.
»Das brauchst du nicht ständig zu wiederholen …«
»Das tue ich auch nicht, Igor Iwanowitsch. An deiner Stelle würde ich meine Geduld nicht länger auf die Probe stellen. Mach Rybkinas Freunde und Verwandte ausfindig, suche so lange, bis du die Frau gefunden hast. Tanner
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