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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wäre.
    »Und müde, dottore, immer müde«, sagte Cabanazzi, als er den Mund wieder schließen durfte.
    Das kommt vom Huren, wollte Dr. Pillnitz schreien, aber er wandte sich ab und schrieb ein Rezept aus. Hustensaft, Lutschpastillen mit Penicillin, Fiebertabletten.
    »Hier –«, sagte er und reichte das Blatt Cabanazzi, der ihn erstaunt ansah und fragte: »Nix Bett?«
    »Nein.«
    »Weiter Arbeit?«
    »Natürlich! Wenn jeder mit einem Schnupfen krankfeiern wollte, könnten wir die Zeche zumachen!« Dr. Pillnitz ging zu seinem Tisch und setzte sich. »Schwester … der nächste!«
    Carla Hatz ließ den nächsten Patienten ein. Einen alten Hauer mit einer bösen Furunkulose. Luigi Cabanazzi blieb unschlüssig stehen. Dann zuckte er mit den Schultern und ging aus dem Ordinationszimmer. Im gekachelten Vorzimmer zog er sich wieder an und verließ schnell das Krankenrevier.
    Am Nachmittag lag auf dem Schreibtisch von Dr. Pillnitz ein Attest. Dr. Bader in Gelsenkirchen bescheinigte, daß der italienische Gastarbeiter Luigi Cabanazzi aus Palermo eine akute Tonsillitis habe und acht Tage Schonung brauche. Er sei arbeitsunfähig.
    Dr. Pillnitz fegte das Attest mit einer wilden Handbewegung vom Tisch. Dr. Bader, Gelsenkirchen, dachte er. Der frühere Hausarzt Veronikas. Sie hat ihn zu Dr. Bader geschickt.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend, rief er bei Dr. Sassen in der Villa an. Das Hausmädchen Erna gab bereitwillig Auskunft.
    »Nein«, sagte sie. »Die gnädige Frau ist nicht da. Sie ist verreist. Ein Onkel in Hagen ist plötzlich erkrankt. Die gnädige Frau wird etwa eine Woche wegbleiben …«
    »Danke!« sagte Dr. Pillnitz heiser und legte auf.
    Nach Hagen. Ein Onkel. Acht Tage. Und genauso lang war Cabanazzi krank geschrieben. Gab es da noch Fragen?
    Ich werde ihn umbringen müssen, dachte Dr. Pillnitz und stützte den Kopf in beide Hände. Es gibt keinen anderen Weg mehr.
    Oder ich werde es Dr. Sassen selber sagen. Wenn die Welt der Veronika Sassen untergeht, dann soll sie richtig untergehen …
    Pater Paul Wegerich war eingefahren. Er hatte seine Grubenlampe bekommen, seinen Schutzhelm, die Nummer 389, unter der er bei der Lampenausgabe und im Schichtbuch eingetragen war, und wurde auf der sechsten Sohle am Füllort vom Steiger empfangen.
    Man hatte lange darüber nachgedacht, wo man den Pater unter Tage einsetzen sollte. Es war unmöglich, ihn vor Ort arbeiten zu lassen, ob mit der Keilhaue oder dem Preßluftbohrer, ob am automatischen Kohlenhobel oder gar bei der Verkästung. Es kamen eigentlich nur zwei Arbeiten in Frage: Als Beifahrer auf der kleinen Elektrolok, die die Hunde zu den Förderbändern brachte, oder am Förderband selbst, wo er herumsitzen konnte und aufpassen mußte, daß die Bänder nicht aus der Lagerung sprangen. Auch am Förderschacht hätte man ihn einsetzen können, aber der Fahrsteiger protestierte und wollte lieber allein sein. So stellte man ihn an das Förderband, und an diesem ersten Tag vor Ort der Zeche Emma II konnte sich Pater Wegerich acht Stunden lang ansehen, wie die Kohlenbrocken auf dem Transportband an ihm vorbeischepperten und irgendwo in der Ferne verschwanden. Ab und zu ölte er die Rollen und Lager, begrüßte einige Steiger, unterhielt sich mit dem Wettersteiger und fischte eine Thermosflasche vom Förderband, die irgendwie aus Versehen auf das Band geraten war.
    Sie wollen mich ins Leere laufen lassen, dachte Pater Wegerich. Unter Tage bin ich zwar, aber zu sehen bekomme ich nichts. Nur Kohle, die an mir vorbeizieht, und ein paar Stahlrollen und Ketten, die Öl brauchen.
    Bei Schichtwechsel gab es die erste Aufregung in der Kaue und an der Lampenausgabe. Pater Wegerich, die Nummer 389, war nicht mit ausgefahren. Er war noch auf der sechsten Sohle. Man wartete, bis die neue Schicht vollzählig eingefahren war, und telefonierte dann hinunter zum Förderband.
    Nein, hieß es dort nach einiger Zeit, Pater Wegerich ist nicht mehr am Band. Er ist weg.
    Der Obersteiger meldete es sofort dem Betriebsdirektor, der Direktor verständigte nach einigem Zögern Dr. Ludwig Sassen, der die Meldung ziemlich gleichgültig aufnahm. »Er wird schon wiederkommen«, sagte er. »Die Neugier treibt ihn herum. Wenn er alles gesehen hat, wird er sich schon melden. Dann schicken Sie ihn bitte zu mir.«
    Im Betriebsbüro war man weniger ruhig. Jeder kannte die Grube und wußte, wieviel stillgelegte Strecken im Berg waren, die man noch nicht aufgefüllt hatte. Man kannte die Wassereinbrüche und

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