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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die abgeriegelten Wetterstrecken, man hatte einen genauen Plan von den Probesohlen und den Querstollen, die man zu den Flöz-Verwerfungen getrieben hatte. Auch Dr. Sassen kannte dies alles, aber bei ihm lag nicht die Verantwortung, falls ein Mann sich dort verirrte und verunglückte.
    »Suchen!« schrie der Obersteiger zur sechsten Sohle hinunter. »Er kann doch nicht weit sein! Das ist ja zum Kotzen!«
    Zwei Steiger und zwei Hauer fuhren noch einmal ein, um Pater Wegerich aufzuspüren. Vorsorglich nahmen sie ein kleines Beatmungsgerät mit, falls sich der Priester in tote Stollen verirrt haben sollte, in welche die Belüftung nicht mehr hineinreichte. Mit starken Handscheinwerfern und Spezialwettermeßlampen ausgerüstet, krochen die vier Männer kreuz und quer durch die sechste Sohle, verhielten ab und zu und schrien »Herr Pater! Herr Pater!« Aber niemand antwortete ihnen.
    Der Gesuchte stand unterdessen vor einem Mauerdamm und klopfte ihn ab. Er kam ihm merkwürdig hohl und brüchig vor. Solche Dämme waren ihm bekannt. Mit ihnen riegelte man die Schlechtwetterschläge ab, Stollen, die nicht so belüftet werden konnten, daß das gefährliche, hochexplosive Methangas abgesaugt wurde.
    Fast eine Stunde hielt sich Pater Wegerich an der gemauerten Wand auf. Er hatte nichts bei sich als seine Grubenlampe. Sie flackerte trübe und müde. Riechen konnte man das Gas nicht. Man spürte es aber, wenn man sich ihm länger aussetzte. Man wurde müde, die Glieder wurden schwer wie Blei, der Kopf begann zu brummen, wurde auch schwer und sank auf die Brust, Übelkeit machte sich bemerkbar. Die Vergiftung hatte eingesetzt.
    Pater Wegerich wartete, bis sich bei ihm die ersten Anzeichen meldeten. Was er vermutet hatte, stimmte also. Die Wand war nicht dicht. Durch unsichtbare Ritzen in der durch Feuchtigkeit und Bergdruck morsch gewordenen Mauer zog unmerklich und stetig ein Strom des gefährlichen Gases aus dem toten Schacht in die sechste Sohle.
    Mit schweren Schritten schleppte sich Pater Wegerich zurück zur Umbruchstrecke. Dort traf er auf die beiden Steiger und zwei Hauer, die gerade wieder einmal beratschlagten, wohin ein Priester in einem Bergwerk verschwinden könnte.
    Die Telefone schellten, ein Förderkorb wurde herabgelassen, gestützt auf die beiden Steiger wurde Pater Wegerich ans Tageslicht gebracht und sofort zu Dr. Pillnitz ins Revier gefahren.
    »Was machen Sie denn für Sachen, Pater?« sagte Dr. Pillnitz, während er als erstes mit dem Sauerstoffgerät eine kräftige Beatmung durchführte. Die fahle Blässe im Gesicht des Paters verlor sich, die Haut wurde wieder rosig und frisch. Paul Wegerich ließ sich von Schwester Carla ein Kissen unter den Rücken schieben.
    »Auf Sohle sechs wird es gefährlich«, sagte er mühsam. Das Sprechen fiel ihm doch noch schwer, seine Zunge war wie gelähmt. »Aus dem abgemauerten Schlechtwetterschacht kommt Methangas und Kohlenmonoxyd. In mir haben Sie den lebenden Beweis, Doktor.«
    Dr. Pillnitz zuckte die Achsel und steckte die Schläuche des Membranstethoskopes in die Ohren. »Wollen Sie unbedingt zum Märtyrer werden, Pater? Man weiß doch oben in der Direktion, daß die Bergbelüftung nicht mehr ausreicht.«
    Pater Wegerichs Augen wurden groß vor Unglauben.
    »Man weiß –«
    »Ich verrate Ihnen ein Geheimnis, Pater. Bitte betrachten Sie es als Beichte und schließen Sie es in Ihr Beichtgeheimnis ein: Noch weiß das keiner außer einer Handvoll Eingeweihter. Emma II wird bald unrentabel werden. Man will die Grube in spätestens fünf Jahren schließen. Das heißt: keine Investitionen mehr. Es muß so weitergehen wie bisher.«
    »Das ist unmöglich«, stieß Pater Wegerich hervor. »Unter Tage arbeiten 2.000 Menschen!«
    Dr. Pillnitz hob wieder die Schultern und setzte das Stethoskop auf die Brust des Paters. Das Herz schlug inzwischen normal.
    »Ich werde mit Direktor Sassen reden!« sagte Pater Wegerich. »Jetzt gleich werde ich das tun!«
    »Was nützt es?« Dr. Pillnitz nahm die Gummischläuche aus den Ohren. »Alles okay. Es hätte schlimmer kommen können. Aber drei Tage lang bleiben Sie zu Hause! Dr. Sassen, ach ja. Was wollen Sie bei ihm? Auch er ist nur ein Direktor unter Direktoren. Gehaltsempfänger, wie wir alle, nur ein paar Klassen höher. Die Bergpolitik wird auf einsamem Gipfel gemacht, und da zählt der Profit, aber keine 2.000 Männer …«
    »Trotzdem.« Pater Wegerich richtete sich auf. »Ich werde nicht den Mund halten! Ich bin hier, um den

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