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Die schöne Ballerina (German Edition)

Die schöne Ballerina (German Edition)

Titel: Die schöne Ballerina (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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hinzusehen, »mit der Schönheit und Anmut einer Göttin. Atemberaubend. Clifford James«, fügte sie hinzu, während Lindsay auf sie zukam, »einer der schärfsten Kritiker überhaupt. Du warst damals erst neunzehn.«
    »Von dieser Kritik war ich auch ganz überwältigt«, erinnerte sich Lindsay und legte ihre Hand auf Marys Schulter. »Ich glaube, ich schwebte eine ganze Woche lang auf Wolken.«
    »Er würde heute noch genau dasselbe über dich sagen, da bin ich mir sicher.«
    Lindsay sah von dem Zeitungsartikel auf. Sie fühlte, wie ein Nervenstrang in ihrem Nacken steif wurde. »Heute bin ich fünfundzwanzig.«
    »Trotzdem. Du weißt es so gut wie ich. Wir …«
    »Mutter!« Lindsay schnitt ihr scharf das Wort ab und hockte sich dann, ihre Heftigkeit bedauernd, neben Marys Sessel. »Entschuldige. Aber ich möchte nicht mehr darüber sprechen, bitte.«
    Sie legte ihrer Mutter eine Hand an die Wange. Warum ist sie nur so starrsinnig? dachte Lindsay verzweifelt und sagte: »Ich habe nicht mehr viel Zeit. In einer Minute muss ich gehen.«
    Mary sah das Flehen in den Augen ihrer Tochter und bewegte sich unbehaglich in ihrem Stuhl. »Carol hat mir gar nicht gesagt, dass ihr heute Abend ausgehen wolltet.«
    Lindsay fiel ein, dass Andys Mutter den ganzen Nachmittag bei Mary verbracht hatte. Sie richtete sich wieder auf und suchte nach einer unverfänglichen Erklärung. »Ich gehe heute auch nicht mit Andy aus.« Sie strich sich unsicher glättend über ihr Kleid.
    »Nein?« Mary sah erstaunt auf. »Mit wem dann?«
    »Mit dem Onkel einer neuen Schülerin.« Lindsay sah ihre Mutter offen an. »Sie hat großes Talent. Du musst sie unbedingt bald kennenlernen, auch du wirst begeistert sein.«
    »Und was ist mit diesem Onkel?« Mary starrte auf das offene Album.
    »Ich weiß noch nicht viel über ihn, außer dass er Cliff House gekauft hat.«
    »So?« Jetzt blickte Mary interessiert auf, denn sie wusste, wie sehr Lindsay dieses Haus liebte.
    »Ja. Anscheinend sind sie schon vor ein paar Wochen dort eingezogen. Ruth wohnt bei ihrem Onkel. Sie ist Waise.« Lindsay sah die traurigen Augen des jungen Mädchens wieder vor sich. »Ich interessiere mich sehr für sie und möchte mit ihrem Onkel einiges besprechen.«
    »Beim Abendessen!«
    »Richtig.« Ein wenig missmutig, weil sie eine einfache Einladung zum Abendessen ihrer Mutter gegenüber rechtfertigen musste, wandte Lindsay sich zur Tür. »Ich glaube nicht, dass es spät wird. Kann ich noch irgendetwas für dich tun, bevor ich gehe?«
    »Ich bin kein Krüppel.« Marys Mund kniff sich zusammen, ihre Hände umkrampften die Lehnen ihres Sessels.
    »Ich weiß.« Lindsays Stimme klang besänftigend.
    Beklommenes Schweigen breitete sich zwischen den beiden Frauen aus. Warum, dachte Lindsay, wird die Kluft zwischen uns beiden größer, je länger wir zusammenleben?
    Die Klingel am Eingang unterbrach schrillend die Stille. Mary sah die Unentschlossenheit im Gesicht ihrer Tochter und wandte ihren Blick bewusst auf das Buch in ihrem Schoß zurück.
    »Gute Nacht, Lindsay.«
    »Gute Nacht.« Mit schlechtem Gewissen verließ Lindsay das Zimmer und durchschritt die Diele. Es gibt nichts, was ich ändern könnte, sagte sie sich, und ich habe damals die einzig mögliche Entscheidung getroffen. Am liebsten wäre sie in diesem Augenblick aus dem Haus gelaufen und immer weiter und weiter gerannt, bis zu einem Ort, von dem sie wusste: Hier gehöre ich hin.
    Sie riss sich zusammen, um das Gefühl der Verzweiflung abzuschütteln, bevor sie die Tür öffnete.
    Als Lindsay Seth begrüßte, zwang sie sich zu einem Lächeln und trat einen Schritt zurück, um ihn hereinzulassen. In seinem dunklen, perfekt geschnittenen Anzug wirkte er noch schlanker und eleganter. Wieder spielte dieses leicht ironische Lächeln um seine Mundwinkel, aber in diesem Augenblick gefiel es Lindsay.
    »Ich sollte wohl besser einen Mantel mitnehmen. Es scheint ziemlich kalt geworden zu sein.« Sie ging an die Garderobe und holte einen dunklen Wildledermantel. Seth nahm ihn ihr aus der Hand.
    Wortlos erlaubte sie ihm, ihr in den Mantel zu helfen, und wieder empfand sie seine starke physische Ausstrahlung wie einen Schock. Konnte man das einfach mit einer chemischen Reaktion erklären?
    War es nicht seltsam, dass die Nähe eines anderen Menschen, eines Menschen, den man nicht einmal näher kannte, Herzklopfen verursachte? Lindsay war etwas verwirrt.
    Lindsay wehrte sich nicht, als Seth sie zu sich herumdrehte. Sie standen eng

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