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Die schöne Ballerina (German Edition)

Die schöne Ballerina (German Edition)

Titel: Die schöne Ballerina (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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maßlos über Seth geärgert hatte, folgte sie ihm höflich ein paar Schritte auf dem Weg zur Tür. In diesem Augenblick drehte er sich so plötzlich um, dass Lindsay, die sich dicht hinter ihm befand, mit ihm zusammenstieß.
    Fassungslos starrte sie ihn an, entsetzt über die Reaktion ihres Körpers auf den physischen Kontakt mit diesem Mann.
    Seth vergaß, dass er eigentlich etwas hatte sagen wollen. Er trat einen Schritt zurück, entschuldigte sich höflich mit einer Verbeugung und ging ins Nebenzimmer, wo Ruth schon auf ihn wartete.
    Während des ganzen Tages musste Lindsay immer wieder an Seth denken. Sie wurde nicht klug aus ihm. An der Oberfläche wirkte er glatt und höflich, aber sie hatte seinen Temperamentsausbruch bei ihrem ersten Zusammentreffen erlebt und wusste, dass er nicht von Natur aus ruhig und beherrscht war. Auch heute hatte der Ausdruck seiner Augen seine Gelassenheit Lügen gestraft. Er ist wie ein Vulkan, dachte Lindsay. Das Äußere wirkt harmlos, aber unter der Oberfläche droht die Gefahr.
    Ich sollte wirklich nicht mehr an ihn denken, hielt sie sich vor und konnte doch nicht verhindern, dass ihre Gedanken immer wieder zu ihm zurückkehrten. Er interessierte sie genauso sehr wie seine Nichte.
    Während der ersten Unterrichtsstunde um ein Uhr beobachtete Lindsay Ruth genau. Sie achtete auf Technik und Ausdruck, aber noch mehr versuchte sie das Wesen ihrer neuen Schülerin zu ergründen. Lindsay hatte nie Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen gehabt. Umso schwerer fiel es ihr, Ruths Zurückhaltung zu verstehen.
    Das Mädchen schien sich hinter Schutzmauern zu verstecken. Es ging weder auf seine Mitschülerinnen zu noch ließ es irgendjemanden an sich herankommen. Ruth war nicht etwa unfreundlich oder unhöflich, nur distanziert, und so hielt man sie für überheblich. Aber es war keine Überheblichkeit, so viel hatte Lindsay bereits erkannt, sondern Unsicherheit.
    Lindsay erinnerte sich an die Art, wie Ruth sich morgens vor der Prüfung an ihren Onkel geklammert hatte. Bei ihm fühlte sie sich anscheinend sicher. Er ist wohl im Augenblick Ruths einziger Halt, dachte Lindsay. Ob er das weiß? Kennt er ihre Ängste und deren Ursache? Bemüht er sich, Ruth zu verstehen?
    Lindsay führte eine Bewegung vor. Spielend leicht stellte sie sich auf die Spitzen und hob langsam ihre Arme.
    Seth hatte ihrem Training mit Ruth so geduldig zugesehen. Was hatte er ihr hinterher eigentlich klar machen wollen? Dass er sie nicht für fähig hielt, Ruth zu unterrichten? Oder was sonst? Sie konnte sich seine Bemerkung nicht erklären.
    Verärgert darüber, dass ihre Gedanken sich immer noch mit Seth beschäftigten, wies sie sich selbst zurecht und konzentrierte sich während der letzten Unterrichtsstunden voll und ganz auf ihre Schülerinnen. Aber als die letzten Mädchen laut schwatzend aus dem Klassenzimmer rannten, waren alle guten Vorsätze vergessen. Lindsay glaubte seine Augen wieder forschend auf sich gerichtet zu sehen und den Ton seiner Stimme zu hören.
    Wenn das so weitergeht, gibt es Komplikationen, ermahnte sie sich, und die haben mir gerade noch gefehlt.
    Befriedigt sah sie sich um. Mein Studio, dachte sie. Ich habe etwas daraus gemacht. Und wenn auch die meisten meiner Schülerinnen nie auf einer Bühne stehen werden, so freue ich mich doch jeden Morgen darauf, hier zu unterrichten. Und ich habe das Glück, mir meinen Lebensunterhalt mit einem Beruf zu verdienen, den ich liebe.
    Ohne darüber nachzudenken, hatte sie eine Schallplatte aus dem Ständer genommen. Nun sah sie, dass sie die Musik zum Ballett Don Quichotte in der Hand hielt. Ohne zu zögern, legte sie sie auf den Plattenspieler. Sosehr sie ihren jetzigen Beruf liebte, ab und zu brauchte sie die Stille ihres leeren Studios, um ganz für sich allein zu tanzen, ganz einfach aus reiner Freude an der Bewegung. Ihre Mutter hatte das nie verstehen können. Für Mary war Tanz eine Art Besessenheit, ein Zwang, für Lindsay Freude, Hingabe.
    Ruth hatte heute Morgen Erinnerungen an die Rolle der Dulcinea heraufbeschworen, eine Rolle, die Lindsay immer ganz besonders geliebt hatte wegen ihres Schwungs, ihres ungebändigten Temperaments.
    Mit dem Klang der ersten Töne versank ihre Umgebung. Lindsay war Dulcinea. Ihre Füße reagierten auf den Rhythmus mit kurzen schnellen Schritten. Ihr Körper erinnerte sich an die Musik und bewegte sich wie von selbst.
    Der Spiegel reflektierte eine junge Frau in zartgrünem Trikot, doch Lindsay sah sich

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