Die schöne Ballerina (German Edition)
besser so.«
Er sah aus, als würde er sie nicht loslassen. Doch dann sagte er: »Also gut. Aber Geduld ist nicht gerade meine Stärke, Lindsay, denk daran.«
Sie antwortete nicht, sondern drehte sich um und floh. Und sie wusste, dass es keinen Zweck mehr hatte zu fliehen, denn sie hatte erkannt, dass sie Seth liebte.
9. K APITEL
Am frühen Nachmittag fuhren sie zum Flughafen. Andy saß am Steuer, Lindsay neben ihm und ihre beiden Mütter auf den hinteren Sitzen. Der große Kofferraum war zum Bersten voll mit Gepäck.
Selbst nachdem sie ihrer Mutter drei Wochen lang beim Packen geholfen hatte, nachdem die Kisten schon vorausgeschickt waren und das Haus, in dem sie aufgewachsen war, zum Verkauf stand, konnte Lindsay immer noch nicht fassen, dass Mary für immer nach Kalifornien ging. Erst als das Haus verkauft war, begriff sie, dass die Trennung unvermeidbar war.
Während sich ihre Mutter und Carol auf der Fahrt miteinander unterhielten, dachte Lindsay: Alles, was ich brauche, kann ich in dem freien Zimmer in der Schule unterbringen. Das ist am bequemsten für mich. Und für Mutter ist es bestimmt das Beste, wieder auf eigenen Füßen zu stehen.
In der Ferne sah sie eine Düsenmaschine zur Landung ansetzen und wusste, dass es bis zum Flughafen nicht mehr weit sein konnte. Lindsay beobachtete das Flugzeug, während sie ihren bedrückenden Gedanken nachhing.
Seit dem Tag, an dem Mary ihr Vorhaben, nach Kalifornien zu ziehen, verkündet hatte, war es Lindsay nicht besonders gut gegangen. Zu viele Gefühle waren auf sie eingestürmt. Zwar hatte sie versucht, Abstand zu gewinnen, die Emotionen so lange zur Seite zu schieben, bis sie in der Lage wäre, vernünftig zu denken, aber es war ihr nicht gelungen.
Nachts quälten sie schlechte Träume, und, was noch schlimmer war, tagsüber wurde sie oft unversehens von einer Traurigkeit überfallen, die es ihr unmöglich machte, konzentriert zu arbeiten. Woher diese Traurigkeit kam, darüber fürchtete sie sich nachzudenken, wusste aber, dass nicht allein die bevorstehende Abreise ihrer Mutter, sondern auch ihre Liebe zu Seth schuld daran waren.
Obgleich sie versuchte, nicht mehr an ihn zu denken, konnte sie nicht einmal ein Zimmer betreten, in dem sie mit ihm zusammen gewesen war, ohne an ihn erinnert zu werden.
Warum musste ich mich ausgerechnet in einen solchen Mann verlieben? fragte sie sich, in einen Mann, der eine Geliebte nach der anderen gehabt hat und allen gefühlsmäßigen Bindungen immer wieder geschickt ausgewichen ist? Zugegeben, auf sein Verhältnis zu Ruth trifft das nicht zu. Aber Ruth ist auch seine Nichte, die Tochter seines verstorbenen Bruders. Ihr gegenüber hatte er Verpflichtungen. Ich bin nicht gerecht, sagte sie sich dann. Sein Verständnis für Ruth, das Bedürfnis, ihr ein Heim und Sicherheit zu geben, hatten nichts mit Verpflichtung zu tun.
Andys Stimme riss Lindsay aus ihren Gedanken und brachte sie in die Gegenwart zurück. Er hatte den Wagen bereits in einer Parklücke vor dem Eingang des Flughafenterminals abgestellt, und Mary und Carol waren schon ausgestiegen.
»Die Flugtickets haben wir ja schon. Wir müssen nur noch einchecken«, verkündete Carol gerade.
»Vergiss nicht, dass ihr einen Haufen Gepäck aufgeben müsst«, erinnerte Andy, öffnete den Kofferraum und fing an, einen Koffer nach dem anderen neben sich aufzubauen. Dann besorgte er einen Gepäckwagen, um das Ganze damit zur Abfertigung zu bringen.
Carol machte Mary ein Zeichen, mit ihr zu kommen, und Lindsay folgte den beiden, nachdem sie den Kofferraum zugeschlagen und den Schlüssel abgezogen hatte.
Bevor Carol die Eingangstür zur Abflughalle erreicht hatte, drehte sie sich zu Lindsay um und rief: »Wetten, dass es heute Nacht schneit?«
»Und ihr seid dann schon im sonnigen Kalifornien und probiert eure neuen Badeanzüge an«, antwortete Lindsay und stemmte sich gegen den kalten Wind.
Andy hatte das gesamte Gepäck schon vor der Abfertigungstheke aufgereiht, als die drei Frauen dort ankamen. Mit gerunzelter Stirn zählte er die Koffer.
»Gib nur gut auf die Gepäckscheine Acht«, riet er seiner Mutter. »Am besten, du tust sie ins Portemonnaie.«
»Ja, Andy.« Vergnügt zwinkerte Carol Lindsay zu, aber Andy bemerkte nichts davon. Er fuhr fort, seiner Mutter ernsthafte Ratschläge zu geben.
»Vergiss nicht anzurufen, sobald ihr in Los Angeles angekommen seid.«
»Nein, Andy.«
»Ihr müsst eure Uhr drei Stunden zurückstellen.«
»Ich werde daran denken,
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