Die schöne Ballerina (German Edition)
Zeit wurde, sich um ihre Schülerinnen zu kümmern. Sie winkte dem einen oder anderen Gast zu, durchquerte eilig den Raum und betrat das angrenzende Umkleidezimmer.
In dem allgemeinen Durcheinander bemerkte zunächst niemand Lindsays Anwesenheit. Aufgeregt rannten einige Schülerinnen hin und her, andere standen schwatzend in Gruppen zusammen oder halfen sich gegenseitig beim Anlegen der Kostüme. Etwas abseits des Trubels versuchte eine ältere Schülerin, sich auf eine schwierige Schrittkombination zu konzentrieren. Zwei Fünfzehnjährige zankten sich um einen Spitzenschuh.
Lindsay war an das übliche Chaos vor Ballettaufführungen gewöhnt. Es regte sie nicht weiter auf. Um die Kinder auf sich aufmerksam zu machen, hob sie beide Arme und rief mit lauter Stimme: »Ruhe bitte!«
Sofort trat absolute Stille ein. Alle Augen wandten sich aufmerksam der Lehrerin zu.
»In zehn Minuten fangen wir an. Beth, Josy«, wandte Lindsay sich an zwei große Mädchen, »helft bitte den Kleinen.«
Sie selbst beugte sich herunter, um die Bänder schlecht befestigter Spitzenschuhe fester zu schnüren, klopfte hier aufmunternd eine Schulter, versuchte mit wenigen Handgriffen zerzauste Frisuren wieder in Ordnung zu bringen und gab sich alle Mühe, die aufgeregten Kinder zu beruhigen.
»Miss Dunne«, fragte Ginny, »Sie haben doch meinem Bruder nicht erlaubt, in der ersten Reihe zu sitzen? Er schneidet immer dumme Gesichter, und dann kann ich vor Schreck einfach nicht weitertanzen.«
»Keine Sorge, er sitzt in der zweitletzten Reihe.«
»Miss Dunne, ich schaffe bestimmt den zweiten Sprung nicht!«
»Natürlich schaffst du ihn. Das wäre doch gelacht!«
»Miss Dunne, Kate hat sich die Fingernägel rot angemalt!«
Abwesend murmelte Lindsay: »Hmm.« Sie wurde langsam unruhig, weil Monika, die Klavierspielerin, noch immer nicht eingetroffen war.
»Ich finde, wir sehen alle viel zu blass aus«, beschwerte sich eine der Kleinsten. »Wir sollten wirklich auf der Bühne Make-up tragen!«
»Das könnte dir so passen!« Lindsay konnte kaum ein Lächeln unterdrücken.
In diesem Augenblick betrat eine große junge Frau von ungefähr zwanzig Jahren den Umkleideraum durch die Hintertür.
»Monika! Gott sei Dank, dass du endlich da bist. Ich wollte schon Schallplatten auflegen.«
Monika Anderson war ein sehr sympathisches Mädchen. Ihr krauses blondes Haar umrahmte ein fröhliches, mit Sommersprossen übersätes Gesicht. Lindsay mochte sie besonders gern, weil sie immer gut gelaunt und hilfsbereit war.
Monika studierte Musik, um Pianistin zu werden, und verdiente sich ihr Studium unter anderem als Klavierbegleiterin. Bei den Schülerinnen war sie sehr beliebt, weil sie die klassischen Kompositionen notengetreu und ohne überflüssige Schnörkel spielte, durch die eine Tänzerin nur zu leicht aus dem Rhythmus geraten konnte. leider war sie kein Muster an Pünktlichkeit.
»Nur noch fünf Minuten bis zum Auftritt!«, rief Lindsay Monika zu, die sich noch einmal zur Tür umdrehte.
»Kein Problem. In einer Sekunde bin ich draußen.«
Niemand hatte bis jetzt das Mädchen bemerkt, das neben dem Eingang stehen geblieben war. Monika nahm es schnell bei der Hand. »Ich möchte dich nur noch mit Ruth bekannt machen. Sie ist Tänzerin.«
Lindsay blickte in mandelförmige Augen, die ein schmales Gesicht beherrschten. In der Mitte gescheiteltes schwarzes Haar fiel glatt bis weit über die Schultern herab. Die zarten Gesichtszüge waren durchaus nicht gleichmäßig geschnitten, wirkten jedoch vielleicht gerade deshalb besonders anziehend.
Ruth stand ruhig und gelassen da, nur in ihren Augen entdeckte Lindsay eine gewisse Unsicherheit, die sie dazu veranlasste, ihre Hand auszustrecken und mit einem warmen Lächeln zu sagen: »Hallo, Ruth, ich freue mich, dich kennenzulernen.«
»Dann geh ich jetzt und sorge schon mal dafür, dass die Leute sich hinsetzen«, erklärte Monika. Als sie hinausgehen wollte, hielt Ruth sie am Ärmel fest.
»Aber Monika …«
»Ach ja. Ich soll dir sagen, dass Ruth dich sprechen möchte, Lindsay.« Während sie aus dem Zimmer ging, rief sie über die Schulter zurück: »Keine Angst, Kleines. Lindsay tut dir schon nichts!«
Ruth biss sich auf die Lippen. Tiefe Röte stieg ihr in die Wangen.
Um ihr aus der Verlegenheit zu helfen, legte ihr Lindsay leicht die Hand auf die Schulter. »Wenn du mir hilfst, die Gruppe für die erste Szene aufzustellen, werde ich gleich Zeit haben, mich mit dir zu unterhalten.«
»Ich
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