Die schöne Betrügerin
gerade noch gesehen, ist keine Stunde her.« »Kommt er?«
Jackham räusperte sich offenkundig verlegen. »Also, du musst eines verstehen, Ren. James ist in einer schwierigen Lage. Da bist du nun also am Leben nach alledem. Und jetzt soll er dir unter die Augen treten, wo er doch genau weiß, dass er dich hierher gebracht hat.«
Ihn hierher gebracht? Ren spürte, wie ihm innerlich kalt wurde. »Ich kann Ihnen nicht folgen, Jackham.«
Jackham seufzte schwer. »Tut mir Leid, dass ausgerechnet ich dir das sagen muss, Ren, aber es ist ’ne Tatsache, dass James dich an eine gegnerische Bande verraten hat, dich und noch ein paar andere. Du solltest deinem Glücksstern danken, dass du noch genug Hirn übrig hast, um dir deinen Namen zu merken. Über die meisten von den Burschen, die James ausgeplaudert hat, wächst schon das Gras. Und Weatherby hat ein paar Wochen lang hier neben dir gelegen, bis er vor ein paar Tagen gestorben ist. Wir dachten, du wärst auch erledigt.«
Rens Magen war zu einem Klumpen Eis erstarrt, er konnte nur noch mit den Augen blinzeln, während Jackham fortfuhr.
»Sicher, James hat sich für die ganze Sache mordsmäßig entschuldigt, und der neue Eigentümer hat ihn auch wieder aufgenommen. Ich denke, dass James jedes Wort ernst gemeint hat, aber es gibt auch welche…« Ren schluckte und versuchte, sich einen Reim auf Jackhams Bericht zu machen. »Der neue Eigentümer?« "Du musst wissen, dass Simon Raines den Club verkauft hat. Anscheinend hat er sich mit all dem Geld, das er als Dieb kassiert hat, einen Titel gekauft. Und als er dann beschlossen hat sich zu verheiraten, hat er den Club an einen richtig eleganten Gentleman verkauft, einen Lord Etheridge. Nun, Seine Lordschaft scheint ein ganz guter Kerl sein, und er ist auch ein guter Klettermaxe, nur dass ich draußen auf der Straße nie von ihm hab sprechen hören, bevor er den Club erworben hat. Aber die Jungs haben ihn ganz gut aufgenommen.«
Ren konnte nicht glauben, dass James ein Verräter sein sollte. »Dann wagt James also nicht, mir ins Gesicht zu sehen?«
Jackham streckte tröstlich die Hand aus, stockte aber, bevor er Ren berührte. »Sei nicht zu hart mit ihm. Er hatte ne richtig schlechte Zeit deswegen. Ein paar von den Jungs denken zwar, er sei jetzt ehrbar geworden, schließlich ist er jetzt doch der Held, der Lord Liverpool gerettet hat und vom Prinzregenten goldene Orden bekommt und alles -«
»Orden.« Das Wort brannte auf Rens schwerfälliger Zunge wie Säure. »Sie haben ihm Orden verliehen.«
Jackham blinzelte ihn an, unverhohlene Sorge im Blick. »Ich weiß, dass es nicht gut aussieht, Ren. Aber ich weiß auch, dass er immer noch unser James ist. Nur dass die Verantwortung ihn schwer drückt. Er führt praktisch sämtliche Operationen des Clubs. Keiner widerspricht einem James Cunnington – außer mir, würde ich sagen. Aber ich wollte einfach sehen, wie es dir geht, schließlich sind wir doch Freunde und so.«
»Er hat Ihnen gesagt, dass Sie nicht kommen sollen?«
»Nicht nur mir. Er hat es allen Jungs gesagt. Kann mir nicht vorstellen, warum. Du etwa? Vielleicht hat es ja etwas mit dem Überfall auf dich zu tun. Kannst du dich an den Abend erinnern?«
»Ich hab gearbeitet… in den Pubs an der Dockside.«
Halte die Fassade aufrecht.
Doch die Warnung hörte sich nicht so eindringlich an wie zuvor.
»Es gab eine Schlägerei, an der ich beteiligt war, aber als ich weg bin, hat jemand mich dazu gebracht, mich in eine Gasse zu verdrücken, abseits vom Getümmel. Ich denke… ich denke, es war eine Frau.« Er verdrehte wegen des Pochens in seinem Kopf die Augen. »Vielleicht. Ich weiß nicht.«
Jackham lehnte sich in dem Stuhl zurück. »Spielt vermutlich auch keine Rolle. Hast du schon drüber nachgedacht, was du jetzt machen willst? Ein Dieb, der nicht stehlen kann, ist für niemanden von Nutzen, oder? Ich sollte das schließlich wissen.«
Ren fiel ein, dass Jackhams Leben seit seinem Sturz aus markerschütternden Schmerzen bestand. Der Mann war vor seiner Zeit gealtert, machte nur noch Abrechnungen und zählte Pennys. Ren packte die Abscheu, erst recht bei seinem nächsten Gedanken.
Er selbst würde vielleicht nicht so viel Glück haben.
Jackham klopfte seinen Hut ab. »Vielleicht solltest du für ’ne Weile raus aus London, sobald du gesund und munter bist.« Er erhob sich mit einem Seufzen und dem üblichen Geächze. »Es tut immer noch weh, die hohen Dächer zu sehen, über die ich einst getanzt bin, wo
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