Die schöne Betrügerin
ich jetzt kaum noch die Treppe hochkomme.«
Raus aus London.
Die Emotionen drohten Ren entzweizureißen. »Vielleicht… vielleicht mach ich das«, würgte er heraus.
Ren fühlte sich nicht nur wegen der Schmerzen krank, die mit dem Laudanum kämpften. Er war von seinem besten Freund an die Franzosen verkauft worden, und James war jetzt ein mit Orden dekorierter Held, während Ren gebrochen und unnütz wie eine kaputte Lanze hier im Bett lag.
Verbitterung stieg in ihm auf, in die sich dumpfer Zorn mischte, wie er ihn nicht gekannt hatte. Er hatte alles verloren. Seine Kraft, seine Arbeit…
Ihm kam der Gedanke, Jackham könnte vielleicht gelogen haben, doch warum sollte er? Jackham wusste nichts von den wahren Zwecken der Liars, wusste nicht, dass Ren versucht hatte, sich vom französischen Geheimdienst anwerben zu lassen, um dessen Netzwerk in London auszuheben.
Nein, Jackham hatte einfach nur erzählt, was er beobachtet hatte, und war blind für die wahre Bedeutung, die all das für Ren hatte.
Ren war von seinem ungebändigten Zorn wie benommen. Sein Leben lag in Scherben, seine Freunde waren tot – und James, der verdammte Verräter, der all das angerichtet hatte, war der Held der Nation.
Jackham sah, dass Ren nicht mehr sprechen konnte und verließ wortlos das Zimmer. Draußen vor der Tür stützte er sich mit einer Hand an der Wandvertäfelung ab und wischte sich mit der anderen zittrig übers Gesicht.
»Tut mir Leid, Junge«, flüsterte er. »Aber es ist zu deinem Besten. Da draußen wollen dich manche lieber tot sehen, bevor du was erzählst, jetzt da du wieder wach bist. Am besten du verschwindest und nimmst deine Erinnerungen mit dir.«
Es war nicht viel, aber es war das Mindeste, was er hatte tun können.
28. Kapitel
»Miss Atwater, wie ich vermute?« James stand groß und bedrohlich vor ihr. Phillipa zitterte ob seines eiskalten Tonfalls und sah weg. Sie zögerte, war ihre sichere Anonymität zu lange gewohnt. Aber sie schuldete diesem Mann die Wahrheit nach allem, was sie getan hatte. »Phillipa Atwater.«
Sie hielt den Blick gesenkt, fixierte die verschränkten Finger. Ach, Robbie, es tut mir so Leid …
»Die verschwundene Tochter des Verräters Rupert Atwater.«
Phillipas Kopf schoss hoch. »Nicht mehr Verräter, als Sie einer sind«, erwiderte sie. Sie erkannte den Fehler schlagartig, denn die kühle Berechnung in seinen Augen wich heißer, verächtlicher Abscheu. Sie hätte stillhalten sollen, abwarten, bis sie in einer besseren Position war, Papa zu verteidigen -.
Die Wucht, mit der seine Faust an die Wandvertäfelung donnerte, brachte ihre bibbernde Panik zur Ruhe. Sie saß stiller als still, wusste, dass gerade eben etwas schrecklich schief gegangen war, wusste aber nicht, was.
James rieb sich mit der anderen Hand die Faust und legte die Stirn an die Wand. Er stand abgewandt da, doch Phillipa konnte sein leises Murmeln hören: »Rupert Atwater. Der größte Verräter in der Geschichte der Liars, und ich lasse seine Tochter in den Club. Bei Gott, ich habe sie in mein
Haus
gelassen.«
Phillipa trat vor. »Wie geht es Robbie? Bitte, sagen Sie es mir, ich mache mir solche Sorgen.«
»Robbie hat einen gebrochenen Arm und muss erst noch aus seiner Bewusstlosigkeit erwachen. Nicht, dass Sie das kümmern dürfte.«
Phillipa protestierte leise. Er wirbelte herum, und sie wich zurück. Dann war er vor ihr auf einem Knie, pferchte sie ein, die Hände rechts und links von ihr in die Matratze gestemmt. Er neigte ihr sein Gesicht zu, die warmen braunen Augen waren schwarz und umschattet.
»Was haben Sie denen gesagt? Wie viele haben Sie verraten? Nur mich?« Er packte sie mit hartem Griff an den Schultern. Er tat ihr nicht weh, nicht wirklich, doch ein Entrinnen gab es nicht.
»Was haben Sie denen erzählt?
Sagen
Sie es!«
Phillipa konnte nur verzweifelt den Kopf schütteln und angesichts seiner Pein alle Gewissensbisse hinunterschlucken.
Sie neigte sich nach hinten, brach den Bann seines wütenden Blicks. Den Mauern seines Körpers konnte sie nicht entkommen, doch sie würde ihm nicht gestatten, ihr den Willen zu brechen. Sie kämpfte wieder um ihr Leben – um ihres und höchstwahrscheinlich auch um das ihres Vaters.
»Ich habe niemanden verraten, ich bin keine Verräterin. Mein Vater ist kein Verräter. Es muss eine Erklärung geben -«
Sie wurde von barschem Gelächter unterbrochen. »Eine Erklärung? Dafür, dass er den Franzosen unsere Geheimcodes gegeben hat? Dafür, dass er
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