Die schöne Betrügerin
ein Luftzug ausgeblasen, und ich kann sie hier nirgendwo anzünden.«
James hatte ihr die Kerze dagelassen, und – welch Ironie! – war es sein Abgang gewesen, der sie ausgeblasen hatte. Die Symbolik hatte ihr so manchen Moment der Belustigung beschert.
Der Bursche stammelte eine Entschuldigung, fuchtelte nervös mit den Händen herum und beugte sich mit einer kleinen Schachtel in der Hand über ihre Kerze. Mit einer einzigen schnellen Handbewegung entzündete er die Flamme – aus dem Nichts, wie es schien.
Phillipa staunte. »Wer seid ihr Kerle?«, fragte sie alarmiert. James kannte sie oder glaubte sie zu kennen. Der Rest – nun, vielleicht entspannte sie sich lieber nicht.
»Ich bitte um Vergebung«, sagte der junge Mann ungefähr zum zehnten Mal. »Ach du meine Güte. Ich hätte mich vorstellen müssen, fürchte ich…«
Phillipa war das Getue langsam leid. Sie stand auf und streckte ihm nach männlicher Manier die Hand hin. Der Mann schüttelte sie automatisch. »Guten Tag, mein Name ist Phillipa Atwater. Und wie heißen Sie, wenn ich fragen darf?«
Er blinzelte aufgeregt. »Fish.« Dann schüttelte er schnell den Kopf. »Nein. So heiße ich nicht. Ich heiße Fisher. Bartholomew Fisher.«
»Und weswegen wollen Sie mich sprechen, Mr. Bartholomew Fisher?«, fragte Phillipa ungeduldig. »Denn ich erwarte in Kürze königliche Gäste und muss den Tee vorbereiten.«
»Was? Oh, ein kleiner Scherz. Ich verstehe.« Er sah nicht so aus, als verstünde er irgendetwas, aber Phillipa machte ihm keinen Vorwurf. Ihr Humor war höchst zweifelhaft, wenn sie müde war.
»Vielleicht könnten Sie mir sagen… Ich meine, falls Sie es überhaupt für möglich halten, uns behilflich zu sein… Nicht dass Sie die Codes kennen würden, wie ich vermute…«
»Mr. Fisher, ich fürchte, Sie verwirren mich. Welche Codes soll ich nicht kennen?«
»Die Ihres Vaters, natürlich. Aber Sie sind eine Lady. Sie wissen vermutlich nichts von alldem.«
»Doch das tue ich sehr wohl. Ein paar sind mir bekannt.«
Mr. Fisher kam auf sie zugestürzt. »Ich wollte Sie unbedingt kennen lernen. Ihr Vater ist mir bei meiner Arbeit eine solche Inspiration, verstehen Sie. Ich meine… also nicht, dass ich ein Verräter wäre… Ach du meine…«
»Mr. Fisher, ich bin der Ansicht, dass mein Vater Napoleon nur deshalb behilflich ist, weil er mich in Gefahr glaubt oder annehmen muss, ich befände mich in französischer Gefangenschaft.« Phillipa wandte sich ab. »Nicht, dass Sie mir glauben würden…«
»Aber natürlich glaube ich Ihnen!«
Phillipa drehte sich verblüfft wieder um. »Ja wirklich? Warum Sie? Wo ich doch James Cunnington nicht überzeugen konnte?«
»Also, James mag ja ein brillanter Saboteur sein, aber er ist kein Kryptologe. Ich dechiffriere jetzt schon seit Monaten diese Codes, und sie scheinen immer simpler zu werden, als ob uns am anderen Ende jemand behilflich sein wollte.«
Phillipa lächelte und schöpfte wieder Hoffnung. »Ja! Genau das würde er tun!« Sie umarmte einen sehr überraschten Mr. Fish und tanzte mit ihm im Kreis. »Verstehen Sie, was das heißt? Das ist der Beweis! Er lebt!« Sie gab Mr. Fisher aus reinem Glücksgefühl einen Kuss auf die Wange. Papa war am Leben, und sie würde endlich mithelfen können, ihn nach Hause zu holen.
Die Tür ging auf. Phillipa sah auf, immer noch lächelnd und die Arme um einen nervösen, errötenden Mr. Fisher gelegt.
James starrte die beiden von der Tür aus an, eine fast schon greifbare Sturmwolke über dem Haupt.
Phillipa entließ ihren Tanzpartner, der sich nicht wirklich dagegen wehrte, und winkte James herein. »Hallo.« Sie beschloss, einfach zu ignorieren, dass er vor Wut schäumte, und lächelte ihn glücklich an. »Papa ist am Leben, James. Und ich kann beweisen, dass er kein Verräter ist.«
James zog die Augen zusammen. »Dann haben Sie also die Dechiffrierschlüssel?«
Phillipa zwinkerte, ihr Lächeln schwand. »Die Schlüssel?«
Mr. Fisher trat vor. »Haben Sie die Unterlagen Ihres Vaters? Ein Notizbuch vielleicht, mit bestimmten Aufzeichnungen?«
Ein Buch? »Das Journal!« Sie wandte sich an Fisher. »Bevor er mich in dieses Versteck gesperrt hat, hat er mir sein Journal gegeben, eine Art Logbuch, das ich Mr. Upkirk bringen sollte!«
»Ah!« Fisher strahlte. »Wunderbar! Falls es den Schlüssel enthält, dürfte an der Loyalität Ihres Vaters kein Zweifel mehr bestehen. Oder, James?«
James schien nicht allzu überzeugt. »Möglicherweise. Falls es
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