Die schöne Betrügerin
besessen, nicht seine Seele.
Dieser Teil von ihm gehörte offenkundig Lady Winchell.
Schließlich floh James aus dem Dechiffrierzimmer und vor Phillipas Gegenwart. Es gab da jemanden, den er besuchen musste, selbst wenn die Begegnung schmerzlich werden würde. Aber Ren Porter war wenigstens keine Frau. James hatte für diese Woche nämlich von Frauen genug.
Doch auf die kalte Wut in den Augen seines Freundes hatte keiner der Besucher James vorbereitet.
»Nett, dass du auch einmal vorbeischaust«, begrüßte ihn Ren. Er saß aufrecht im Bett und sah verblüffend munter aus – doch der Mann, den James seit Jahren seinen Freund nannte, wollte ihm nicht die Hand geben. »Wem verdanke ich diese Ehre?«
James wich vor dem tonlosen Zorn in Rens Stimme zurück. »Ich bin gekommen, so schnell ich konnte.« Er setzte sich auf den nächstbesten Stuhl. Er hatte kein tränenreiches Wiedersehen erwartet, aber das hier war schon sehr seltsam.
Es sei denn, jemand hatte Ren von James’ Verfehlungen berichtet. Aber wer? Der einzige Abgesandte des Clubs war Jackham; und Jackham wusste lediglich, dass Ren bei den Docks überfallen worden war. Der Clubmanager hatte praktisch keine Ahnung von der undichten Stelle bei den Liars – und von der Rolle, die James gespielt hatte, erst recht nicht.
»Wer hat dich bislang besucht?« James bemühte sich, seinen Ärger zu unterdrücken. Er wollte Ren unbedingt alles erklären, er wollte, dass er ihm verzieh, und hegte die Hoffnung, dass sein alter Freund ihn verstehen würde. Aber die Leere in Rens Blick zeugte von einem größeren Schaden, als Worte ihn beheben konnten.
»Ich habe die Zeitungen gelesen, besser gesagt, meine Krankenschwester hat sie mir vorgelesen. Mrs. Neely war so freundlich, sämtliche Zeitungen aus der Zeit, in der ich… geschlafen habe, aufzuheben.« Ren fuhr mit dem Daumen an der Kante des Stapels entlang, der auf seinem Schoß lag. »Wirklich sehr nett von ihr, findest du nicht?«
Eigentlich war es James’ Idee gewesen, die Zeitungen aufzuheben, und er hatte Mrs. Neely entsprechend instruiert.
Als ihm jetzt klar wurde, was Ren gelesen hatte, verfluchte er sich für seine Dummheit. Es stand schließlich alles darin, jede Klatschgeschichte und jede Spekulation, aber leider kaum Fakten.
Agathas öffentliche Schmach, die Wiedergutmachung durch den Prinzregenten, der Schuss vor dem Parlament, James’ Orden. Der ganze Schlamassel eben. Und manches war höchst unangenehm dargestellt, aus James’ Perspektive betrachtet zumindest.
»Orden«, murmelte Ren. »Du musst ja mächtig stolz sein.«
Ein Schwung Zeitungen flog an die gegenüberliegende Wand und landete flatternd auf dem Teppich. Obenauf lag das Werk eines einflussreichen politischen Karikaturisten, jene Zeichnung, die Nathaniel Stonewell für immer als »Lord Landesverrat« bekannt gemacht hatte.
James rieb sich das Gesicht. »Ren, ich -«
»Mrs. Neely hat mir gerade die Heiratsanzeigen vorgelesen. Hast du gewusst, dass meine Verlobte jetzt glücklich mit einem Rechtsanwalt aus Brighton verehelicht ist?«
James schluckte. Er hatte nie an das Mädchen gedacht, nach dem Ren vor dem Überfall so verrückt gewesen war. Sie war natürlich benachrichtigt worden, hatte aus Sicherheitsgründen aber keine Adresse bekommen. James erinnerte sich vage, wie sein Freund von der hübschen Blondine geschwärmt hatte, bevor er in den Untergrund gegangen war. Ren hatte in diesen Wochen von kaum etwas anderem gesprochen als von dem Mädchen.
Sie hatte die Verlobung offenbar postwendend für ungültig erklärt.
»Gott, Ren. Es tut mir so Leid -«
»Sind die Orden hübsch, James? Glänzen und funkeln sie schön? Polierst du sie regelmäßig, und hast sie unter dem Kopfkissen liegen?«
James erhob sich. »Ren, bitte, hör zu -«
»Nein!« Ren schoss wutentbrannt aus den Kissen. »Ich gebe dir keine Redezeit, keine Begnadigung, Cunnington! Du hast mich um alles gebracht! Alles!« Er sank zurück, von dem Ausbruch offensichtlich mitgenommen. »Lasst mich in Ruhe. Du und die anderen Verräter…«
James kam schockiert näher. »Ren, die Liars hatten nichts damit zu tun -«
»Verschwinde!« Ren war weiß und zittrig, doch seine Augen glühten gefährlich.
James wich zurück, dann wandte er sich zum Gehen. »Ich komme wieder, Ren. Wenn du etwas mehr zu dir selbst gefunden hast.«
Als er die Tür des Krankenzimmers hinter sich zuzog, hörte er die nächste Ladung Zeitungen an das Holz hinter sich fliegen.
Ren war
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