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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Jugend und der vergangenen Freuden, edle Republik und Stadt. Liebe Schweiz, Friede und angenehmes Leben, Rechtschaffenheit und Weisheit.

LXIV

    »Hier euer Kaffee, so einen kriegt ihr nicht jeden Tag, und esst schnell diese Hörnchen, die kommen ganz warm aus meinem Ofen, aber beeilt euch ein bisschen und passt auf, dass eure Schmiererei mir nicht die Tapeten bekleckert, die sind nämlich aus teurer reiner Seide, ruiniert sie mir nicht.«
    Da stand sie, die Hände über dem Bauch, und genoss den Anblick der beiden jungen, hübschen Maler, die es sich schmecken ließen. Zwei brave Kerle, diese beiden kleinen Pinselkleckser, und sogar zwei Bohnerblöcke hatten sie mitgebracht, um nach dem Streichen das Parkett blank zu polieren. Als sie weiterarbeiteten, hockte sie sich auf einen Schemel, enthülste ihre Erbsen, verfolgte mit dem Blick jeden Pinselstrich, fühlte sich herrlich wohl und freute sich für Madame Ariane, die sehr zufrieden sein würde, ihren kleinen Salon blitzsauber wie eine Bonbonschachtel vorzufinden.
    Am späten Vormittag hatte ein Lieferant ein Paket gebracht, dessen Inhalt sie erriet und das sie rasch öffnete, denn sie konnte es kaum erwarten, stellvertretend zu glänzen. Sie entnahm ihm einen schönen Morgenrock, den sie vor sich hielt.
    »Erstklassige Seide, so was können sich eure kleinen Freundinnen nicht leisten! Geld ist Macht! Und das ist noch nicht alles, beinah hätt ich’s vergessen, wo ihr jetzt mit dem Streichen fertig seid, kommt mal mit, ich werd euch was zeigen. (Im Esszimmer war der für den kleinen Salon bestimmte Schirazteppich vorläufig ausgelegt worden, und jetzt erklärte sie ihn ihnen, die Faust in die Hüfte gestemmt.) Sirach nennt man das, das ist der Name, und das kommt aus einem Land in Algerien, und nun schaut euch mal diese feine Arbeit an, alles handgemacht, arbeiten können diese Araber, das muss man ihnen lassen. Ich an ihrer Stelle hätte den kleinen früheren behalten, der wo noch von Mademoiselle Valérie stammte, sicher auch ein Sirach, aber das ist ihre Sache, wer die Mittel hat, hat auch das Recht, wie Pasteur sagte, der wo die Tollwut bei den Hunden erfunden hat, denn Geld gibt es mehr als genug in der Familie, die gehört nämlich zu den allervornehmsten, ach, schon Mittag, da muss ich ans Essen denken, nicht wegen Madame Ariane, die ist bei ihrem Onkel, dem Herrn Doktor, ich wärm mir die Reste von gestern auf, die Erbsen sind für heute Abend.«
    Wie sie gehofft hatte, wurde sie eingeladen und genoss es, plaudernd und respektiert das Mahl der beiden Maler zu teilen – Wurst und Thunfisch aus der Dose. O ja, das liebte sie, Gesellschaft, Unterhaltung, ein richtiges Picknick, das erinnerte sie an ihre Jugend. Aus reiner Höflichkeit, und um sich nicht lumpen zu lassen, steuerte sie eine Lammkeule, ein Ratatouille nach Nizzaer Art und eine Erdbeertorte zum Mittagessen bei, die sie extra zu diesem Zweck am Vorabend zubereitet hatte. Sogar eine Flasche Châteauneuf-du-Pape, der Stolz Adrien Deumes, brachte sie in ihrer Schürze versteckt an.
    Nach dem Kaffee trugen Mariette und ihre beiden freiwilligen Helfer das Bohnerwachs auf, und dann traten drei Bohnerblöcke in Aktion. Im Hin und Her der Geräte und im Rausch des fröhlichen Beisammenseins stimmte sie das Lied aus ihrer Jugend an, dessen Refrain im Chor und im Rhythmus der Polierblocks von allen dreien gesungen wurde.

    Im nächtlichen Flimmer,
    in sonniger Pracht,
    da lieb ich dich immer,
    am Tag, in der Nacht.

    Aber der Gesang brach jäh ab, als die Tür sich öffnete und Ariane eintrat, auf ihrem Gesicht die Noblesse der herrschenden Klasse, während das Proletariat stumm und beschämt dastand. Zu dieser Stunde des Tages war Solals nackte Sklavin, die zu allen Liebesdiensten bereite, im Halbdunkel der Nächte so gefügige Ariane nur noch ein Gesellschaftsmensch, eine wohlerzogene und in ihrer Zurückhaltung beeindruckende d’Auble.
    Nachdem die Möbel wieder an ihrem Platz standen, die Trinkgelder verteilt worden und die Arbeiter gegangen waren, von Mariette, die darauf bestanden hatte, noch ein Stück begleitet, betrachtete Ariane stolz ihren kleinen Salon. Die Möbel kamen durch das leuchtende Weiß der Holztäfelung wunderbar zur Geltung. Der große Ankleidespiegel, den die Maler heruntergebracht hatten, stand gut hier, genau am rechten Ort, dem Sofa gegenüber. Sie und er würden sich noch näher sein, wenn sie sich zusammen im Spiegel betrachten könnten. Und dieser Schiraz war wirklich

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