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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Freuden barg doch diese Stunde des geheimen Einverständnisses! Nachdem sie ihre Heftnaht beendet hatte, schnell die Rundung an Madame nachprüfen, oh, wie gut er ihr stand, dieser Morgenrock, wie schön sich da der Hintern wölbte, aber psst, nur nichts sagen. Und nachdem die Rundung überprüft war, schnell in die Küche laufen und dünnere Nadeln holen, schnell die Gelegenheit wahrnehmen, um noch etwas Kaffee aufzubrühen, den man gemeinsam trinken würde, schnell die Thermosflasche füllen, sie liebte die Thermosflasche, weil das wie ein Ausflug war, und dann schnell wieder an die Arbeit, um den endgültigen Saum zu nähen, das war Leben und Geschäftigkeit, nicht der armselige Alltagstrott der Deumes, die nur Hühnerblut in den Adern hatten, sich nur um die allergewöhnlichsten Dinge kümmerten und ständig aufs Barometer guckten, während Madame Ariane eine große Liebe lebte, mit den verrücktesten Küssen, wichtig für die Gesundheit, wenn man jung ist, armer Didi, aber was soll’s, gegen Liebe ist nun mal kein Kraut gewachsen, Liebe kennt kein Gesetz, wie es im Sprichwort heißt.
    »Madame Ariane, das war wirklich eine gute Idee, alles streichen zu lassen, und dieser große Sirach macht sich auch sehr hübsch, ein richtiges kleines Nest, um netten Besuch zu empfangen und sich zu unterhalten, es bleiben nur noch meine Fenster, die werd ich Ihnen ordentlich putzen, schauen Sie, die Gardinen hab ich schon abgenommen und Zeitungspapier und Essig geholt, es gibt nichts Besseres für Fensterscheiben, die werden glänzen wie Krondiamanten, und auch die Gardinen werd ich mit Seifenflocken waschen, der Marquisette-Stoff trocknet ja im Handumdrehen, lassen Sie mich nur machen, Sie werden sehen, alles wird tipptopp sein, und die Tür werd ich auch waschen, die Eingangstür, dass er es sieht, wenn er klingelt, aber nicht mit Seife, dass die Farbe nicht abgeht, nur mit heißem Wasser, und Staubwischen tu ich erst morgen, heute lohnt es sich nicht, morgen ist alles wieder staubig, es ist ein wahres Kreuz mit dem Staub, ich mach es morgen gegen sieben, und dann wisch ich auch noch mal schnell das Parkett, dass alles tadellos ist, wenn Ihr Besuch kommt, er wird alles wie geleckt finden, lassen Sie nur, ich kümmer mich schon drum, er wird zufrieden sein, Sie werden sehen«, schloss die kleine exaltierte Alte, die gerade ein Liebesabenteuer erlebte.
    »Ich lasse Sie den Saum beenden, Mariette, denn ich bin noch bei Volkmaar verabredet. Er war sehr verständnisvoll und hat eine zusätzliche Anprobe akzeptiert.«
    »Aber gewiss, Madame Ariane. Also auf Wiedersehen, und fahren Sie nicht zu schnell.«

***

    Nachdem sie ihren Saum beendet hatte, zog Mariette aus einem ihrer Unterröcke die Überraschung für Madame Ariane hervor und stellte sie auf das Klavier, ein Kunstgegenstand, den sie selbst aus einem Rest von Porzellanmasse hergestellt hatte, in ferner Vergangenheit, als sie in der Keramikfabrik gearbeitet hatte. Sie trat zurück, um die kleine Vase in Form einer Turmruine zu bewundern, die mit einem schweinsköpfigen Lamm und einer dicken Frau verziert war, die unverständlicherweise vor der Tür des Turms kniete. Ja, Madame Ariane würde sich bestimmt freuen, da es sehr künstlerisch war und handgemacht.
    Dann wandte sie sich von ihrem mittelalterlichen Turm ab, schloss die Tür, griff nach dem seidenen Morgenrock, zog ihn sich über und erklärte einem Unbekannten, dass sie nur ihren Mann liebe, und basta. Nach einem verächtlichen Blick trällerte sie, »im nächtlichen Flimmer, in sonniger Pracht«. Doch als sie sich in dem Ankleidespiegel erblickte, sah sie, dass sie alt war, und der Unbekannte verschwand. Sie zog den Morgenrock wieder aus und tröstete sich nach Art der Alten, indem sie sich stellenweise durch die Betrachtung von anmutig gebliebenen Details bewunderte. Was die Hände betraf, so konnte sie es immer noch mit jeder aufnehmen. Richtige Patschhändchen, hatte er immer gesagt. Und auch die Nase war glatt geblieben, keine einzige Runzel. Sie befeuchtete ihren Zeigefinger, drückte ihre Schmachtlocke platt und fand sie schön. Oh, das war ja alles ganz nett, aber jetzt mussten die Fenster geputzt werden. Mit wilder Hingabe begann sie zu scheuern.
    »Immer verständnisvoll, solange sie sich Hoffnung auf dein Geld machen, aber man sollte dieser Verschwenderin mal klarmachen, dass das alles nur Schmeichelei ist, ihr Hummer, verstehen Sie, sie scheut keine Ausgaben, wenn ihr Märchenprinz sie nur hübsch

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